Editorial 2_2006

Fokolar - eine Berufung

Das vorliegende Heft öffnet in gewisser Weise den Blick für so etwas wie Neuland in der Kirche. Dieses PRISMA-Heft ist einer Berufungsgestalt gewidmet, die sich seit 1943 in Italien und dann immer mehr weltweit um und mit Chiara Lubich entwickelt hat. Es geht um die Berufung der Fokolarinnen und Fokolare, die in kleinen Gemeinschaften von Männern oder Frauen mitten in der Welt leben.

Stefan Tobler, ein evangelischer Professor der Theologie, der selbst auch in einem Männerfokolar lebt, bringt einen, was den deutschen Sprachraum angeht, ersten Versuch einer theologischen Verortung ein. Der Pastoralsoziologe Michael Hochschild ergänzt gleichsam von außen diese Sicht auf das Fokolar.

Der kürzlich mit dem Preis der Dortmunder Kommende ausgezeichnete Theologe Matthias Sellmann entdeckt in den Fokolar-Kommunitäten, die sich eben nicht „klösterlich“ verstehen, neue „Rituale“ und christliche Lebensgewohnheiten und zeigt die elementare Wichtigkeit der Rituale für jede Berufung auf.

Ein Ordenspriester und ein Diözesanpriester beschreiben fast biografisch, wie anregend sich für Priester oder Ordensleute der Kontakt mit dem Fokolar spirituell ausgewirkt hat und auch heute auswirken kann.

Und dann erhalten die Fokolare in einer großen Bandbreite selbst das Wort durch Berichte und Interviews, die den Leser nach Zürich, Wien, Zwochau bei Leipzig, aber auch nach Rom führen. Dabei kommt neben der spirituellen, auch die ökumenische und politische Dimension dieser interessanten Lebensform in den Blick.

Das Gespräch mit Bruna Tomasi vermittelt einen tiefen Blick auf die Anfänge dieser Berufung im allerersten Fokolar, das sich in Trient um Chiara Lubich gebildet hatte; es war diese Fokolarin, die sich bereits 1961 in die Bundesrepublik senden ließ.

Besonders dankbar soll vermerkt werden, dass Serenella Silvi Antonini und Hans Jurt, die von Rom aus weltweit für die Ausbildung, den Einsatz und die Lebensform der Fokolarinnen und Fokolare verantwortlich sind, für ein ausführliches Interview gewonnen werden konnten.

Beeindruckend sind auch die beiden Zeugnisse von verheirateten Fokolaren, die sowohl in der Familie als auch in der Fokolar-Gemeinschaft auf der Spur des Evangeliums leben und sich durch Versprechen vor Gott gebunden haben.

Dieses Heft kann für Leserinnen und Leser eine Anregung sein, der eigenen Berufung zum Menschsein und Christsein nachzuspüren und sich über die persönliche Verantwortung für die Gesellschaft und die Welt neu zu vergewissern.

Wilfried Hagemann

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