Lerngemeinschaft mit Un-Theisten

Ein Treffen von 50 katholischen und evangelischen Pfarrern in der Nähe von Leipzig in der Osterwoche 2013 kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich an das Thema dieses Bewegungsmelders denke. Wir kamen aus allen Ecken Deutschlands und wollten uns mit dem Phänomen des Atheismus und des Nichtglaubens auseinandersetzen und dachten, dass wir dies im Osten Deutschlands gut machen könnten. Unter dem Thema „hören – wahrnehmen - lernen mit allen“ hatten sich drei nichtglaubende Zeitgenossen aus Mageburg und Leipzig, darunter auch eine Frau, bereit erklärt, mit uns Pfarrern ins Gespräch zu kommen und sogar auf dem Podium vor uns Platz zu nehmen.

Wir lernten zunächst: Man solle eher von Un-theisten sprechen als von Atheisten, weil bei vielen Menschen in der ehemaligen DDR überhaupt keine Berührung mit Religion stattgefunden habe. Nirgends in der Welt glaubten so wenig Menschen an Gott wie in Ostdeutschland. Diese Art Volksatheismus fühle sich an wie eine „veritable Gottesfinsternis“. Wir wollten bei dieser Feststellung nicht stehen bleiben. Wir suchten die Begegnung mit Menschen, denen Gott einfach fremd ist. Wir wollten einfach von ihnen lernen und so verstehen, wie es um unser Verhältnis zu Gott bestellt ist.

Ein besonderer Höhepunkt war das Podium „Woran glaubt, wer nicht glaubt“. Ein pensionierter Studienrat, ein Studentenbetreuer und freischaffender Caterer und eine frühere Krippenerzieherin waren bereit, Einblick in ihr Leben, in ihre Weltanschauung, ja in ihre Seele zu geben. Wir konnten unsere Offenheit durchhalten, so dass sich ein fruchtbares Klima des gegenseitigen Zuhörens, des Wahrnehmens und des Lernens voneinander entwickeln konnte.

Zunächst hatten die Nichtglaubenden das Wort. Wir versuchten uns auf deren Worte, auf deren Sinn im Leben einzulassen.

Wir hörten in etwa folgende Sätze:

Im Plenum entfaltete, eröffnete sich ein neuer Raum der Offenheit und des Einanderzuhörens. Unsere nichtglaubenden Freunde hatten etwas bei uns in Bewegung gebracht, was wir nicht geahnt haben. Ja: Beide Seiten lernten voneinander. Eine anfängliche Fremdheit löste sich ganz. Besonders hilfreich war dabei die langjährige Tuchfühlung der ostdeutschen Pfarrer mit den Un-theisten an ihren Lebensorten. Es zeigte sich, dass einzelne Pfarrer im Laufe des Gesprächs anfingen, ihr eigenes persönliches Gottesbild besser zu verstehen, ja sie spürten den Impuls ihre eigene persönliche Rede über Gott zu überdenken zu sollen. Was diese Personen uns "gaben", hatte einen Klang, dessen Fremdheit uns überraschenderweise für das Eigene öffnete.

Da fielen Sätze wie diese:

Dieses Erlebnis von Leipzig hat mich persönlich sehr geöffnet. Es hat mir gezeigt, dass jeder Mensch etwas geben kann. Geben und Nehmen - das öffnet eine neue Tiefendimension unter uns Menschen. Was könnte der andere/die andere mir geben? Was könnte Gott mir geben? Diese Frage führt uns heran den Dialog mit Nichtglaubenden, diese Frage führt uns in die Ökumene, zu unseren evangelischen und orthodoxen Brüdern und Schwestern.

Vielleicht sollte dies beim Erstkommunion-Unterricht als erstes gelernt werden. Dann wird verständlich, dass der gute Gott sich uns schenkt in der hl. Kommunion. Wir "nehmen" ihn und "geben" ihn weiter durch unser Leben.

Und dies erleben wir auch an Weihnachten. Gott gibt seinen Sohn, wir "nehmen" IHN und bezeugen die in IHM erfahrene Liebe durch unser Leben. Dieses "Nehmen" führt zum "Geben", zum "Schenken". Was also nehmen Sie, lieber Leser, liebe Leserin, was geben Sie, was schenken Sie weiter?

Aus: BEWEGUNGSMELDER, Pfarrnachrichten Kirchen in Refrath , Dezember 2014

zurück