Jahresrundbrief 2006

Münster, 7. Februar 2007

Liebe Verwandte, Freunde und Bekannte!

Während ich diesen Brief schreibe, stehe ich noch ganz unter dem Eindruck einer so zahlreichen, guten und persönlichen Weihnachtspost, dass ich mich fast schäme, zunächst nur mit diesem Rundbrief zu antworten.

Ich stehe heute noch unter dem Eindruck von ganz besonders eindrücklichen Gemeinschaftstagen in Rom bzw. in Castelgandolfo, wo ich mit über 600 Priestern aus der ganzen Welt mich neu einlassen konnte auf das Wesentliche unseres Glaubens: auf Jesus Christus, in dem sich für mich die ganze unendliche Liebe des guten Gottes auch heute erschließt. Dabei hatten die Tage in Rom das Thema „Die kollektive kulturelle Nacht Gottes, die sich über Europa gelegt hat“. Es tat gut, gemeinsam mit so vielen Priestern aus Europa und aus allen Kontinenten auf die Verschattungen und Gefährdungen des Glaubens zunächst in Europa, aber auch in der ganzen Welt wirklich eindringlich hinzuschauen und dies alles an sich heranzulassen. In einem einstündigen Sketch haben Priester aus Mailand die Fragen, Nöte und existenziellen Probleme der Menschen von heute uns fast unmittelbar vor Augen geführt und leise Hinweise auf Wege gegeben, die in unserer heutigen Krise hilfreich sind. Für mich wurde dadurch der Eindruck verstärkt, dass es sich gerade heute lohnt, auf dieser Erde zu leben, und zwar als Christ und auch als Priester. Natürlich ging uns auch die gefährdete Gesundheit der heute 87-jährigen Gründerin und Präsidentin der Fokolar-Bewegung Chiara Lubich sehr nahe – sie war gerade nach einem achtwöchigen Krankenaufenthalt in Rom nach Rocca di Papa zurückgekommen.

Auf das Jahr 2006 kann ich nur mit großer Dankbarkeit zurückschauen. Es war ein gutes Jahr. Besonders steht in meiner Erinnerung die Begegnung mit Patriarch Bartholomaios I. im vergangenen Juni in Konstantinopel. Anlass war, dass ich zusammen mit dem griechisch-orthodoxen Bischof Efmenios Tamiolakis / Aachen und den Verantwortlichen der Fokolar-Bewegung Dr. Friederike Koller und Clemens Hachmöller aus Solingen dem Ökumenischen Patriarchen im Auftrag der Fokolar-Bewegung die Frage vorlegen sollte, ob er den Klaus-Hemmerle-Preis 2008 anzunehmen bereit sei. Die Begegnung in seinen Amtsräumen, im Phanar, war außerordentlich geschwisterlich, freundlich und geistlich. Der Ökumenische Patriarch bezeichnete Klaus Hemmerle als seinen Freund und Bruder. Er war begeistert, dass er diesen Preis erhält und dass dadurch auch seine persönliche Nähe zum Fokolar öffentlich bekannt wird. Als Zeichen seiner Wertschätzung lud er uns dann auch zum Mittagessen an seinen Tisch ein. Das Erlebnis von Istanbul mit seinen Moscheen und vor allem der Hagia Sophia – mitten in der Türkei, wo Orient und Okzident sich begegnen – ist mir einfach unvergesslich. Ich freue mich jetzt schon sehr auf die Tage vom 08. bis 15. Juni 2008, wenn dann in Konstantinopel dem Patriarchen der Preis übergeben wird. Empfänger dieses Rundbriefes, die daran teilnehmen möchten, lade ich jetzt schon herzlich dazu ein und bitte um Meldung bei mir.

Die mir von Bischof Dr. Reinhard Lettmann übertragenen Aufgaben prägen den Alltag in Münster und in Rheine in ganz spezifischer Weise. Zum einen bin ich Beauftragter des Bischofs für die ausländischen Priester in der Seelsorge des Bistums. Über 80 ausländische Priester, vor allem aus Indien, aber auch aus Rumänien, dem Kosovo und Afrika werden immer mehr zu einer echten Bereicherung unser Pastoral. Der im Laufe der letzten Jahre entwickelte 14-wöchige Pastoralkurs, aber auch die weiteren Fortbildungsangebote finden bei diesen Priestern großes Interesse und helfen Ihnen, sich auf die für sie völlig neue Situation in einem Land einzulassen, das so sehr von einer fortschreitenden Säkularisierung geprägt ist. Inzwischen hat sich ein sehr gutes persönliches Verhältnis zu diesen Priestern ergeben, so dass ich auch immer wieder von dieser Seite her Besuche erhalte, bei denen es um neue Einsatzgebiete, persönliche Beratung und Abklärung vieler Fragen geht. Ich bin sehr froh, dass die Pastoralreferentin i. R. Frau Maria Pannenberg mir in ganz besonderer Weise zur Seite steht, unterstützt vom Sekretariat des Priesterseminars, besonders von Frau Gabriele Dalhoff, und vom Sekretariat der Hauptabteilung 500 Seelsorge-Personal, hier besonders durch Frau Monika Böhm und Herrn Philipp Gehling.

Meine andere Aufgabe bezieht sich auf das Gertrudenstift in Rheine-Bentlage. Die drei Clemensschwestern, die das geistliche Rückrad dieses Hauses bilden und als lebendige Zelle in diesem Haus tätig sind, konnten zusammen mit mir im August eine echt spirituelle Exkursion zum Kloster Helfta bei Eisleben unternehmen, dem Wirkungsort der Namenspatronin des Gertrudenstiftes, der Heiligen Gertrud von Helfta. Die heute über 80 Jahre alte außerordentlich lebendige Äbtissin des neu gegründeten Zisterzienser-Klosters Helfta, Sr. Assunta, hat uns in rührender Weise während unseres Aufenthaltes dort umsorgt.

Im Gertrudenstift selbst konnte ich unterschiedliche geistliche Angebote anbieten: Exerzitien für Priesterkandidaten, für Priester und Laien; Besinnungstage für Pfarrgemeinderäte, KommunionhelferInnen, ReligionslehrerInnen des DKV, KAB, Frauengemeinschaft, Frauenbund, kommunale Gemeindeverwaltung, ND-Familienkreis, Besuchsdienst, Katecheten + -innen; den Grundkurs Spiritualität; die geistlichen Gemeinschaftstage zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Auch als Beleghaus dient das Gertrudenstift inzwischen vielen Gemeinden, Verbänden und Gruppen. Dass bei den Orkan „Kyrill“ das Flachdach vom Haupthaus herunter geweht wurde, konnte uns dennoch nicht aus der Fassung bringen, weil eben tatkräftige Hausmeister sich in wirklich aufopfernder Weise sofort rettend einbringen konnten. Der in Zusammenarbeit mit dem Dialogverlag erstellte Hausprospekt, der diesem Brief beiliegt, unterstützt die öffentliche Werbung für das Haus, die sicher noch besser werden kann.

Eine geistliche Frucht der Arbeit im Gertrudenstift ist beim LIT-Verlag erfolgte Veröffentlichung des kleinen Bandes „Das Flüstern Seele - Gedichte, geschrieben im Bann der Sucht“ von Magdalene Sasse, Münster 2007 (zu beziehen bei mir zum Autorenpreis). Die fast 80jährige Autorin lernte ich im Gertrudenstift kennen.

Neben diesen beiden Aufgaben stehe ich einfach als Geistlicher Begleiter vielen Menschen, Priestern, Theologiestudenten und Ehepaaren zur Verfügung. Es kommt auch jetzt immer wieder vor, dass, wie seiner Zeit in Stapelfeld, alle Zimmer der Wohnung an der Frauenstr. 1 durch wartende Personen belegt sind. In solchen Situationen hilft mir auch sehr meine Haushälterin Frau Ljuba Popovic und auch die Sekretärin des Gertrudenstiftes Frau Alexandra Eckrodt, die meine Arbeit in jeder Hinsicht unterstützt.

Besonders gut tut mir auch der Kontakt zu verschiedenen Klöstern und Ordensgemeinschaften: der Karmel in Lembeck, wo ich monatlich einen Vortrag halte, die Klarissen am Dom, die ich öfters in der Vesper im Dom oder bei der Eucharistiefeier in ihrer Hauskapelle und darüber hinaus bei regelmäßigen geistlichen Vorträgen treffe. Besonders freut mich auch der gute Kontakt zum Lourdeskloster, das in meiner unmittelbaren Nachbarschaft liegt (Frauenstr. 18); dort bin ich immer wieder zur Eucharistiefeier eingeladen und werde in diesem Jahr bereits zum dritten Mal die Jahresexerzitien halten.

Zum Radius meiner geistlichen Tätigkeit gehört auch eine kleine geistliche Gemeinschaft, die Hauskirche Fiat Verbum in Marktheidenfeld; hier erlebe ich, wie in sehr einfacher Weise Kirche in kleinen eingeübt und bezeugt wird.

Darüber hinaus muss auch der sehr intensive und gute Kontakt zur Katholischen Integrierten Gemeinde erwähnt werden, sei es in München, Walchensee oder Emsdetten. In diesen Zusammenhang gehören auch die geistlichen Vorträge bei den Franziskanerinnen von St Mauritz, bei den Clemensschwestern sowie bei der Gemeinschaft des Neuen Weges vom hl. Franziskus in Haus Heidhorn bei Münster.

Die geistliche Begleitung des Konvents im Benediktinerkloster Weltenburg bei Regensburg, um die ich im Juli 2006 gebeten wurde, erlebe ich als ein ganz besonderes Experiment, weil es hier nicht um die geistliche Begleitung einzelner, sondern einer ganzen Klostergemeinschaft geht. Auf diese Weise darf ich immer mehr in die benediktinische Spiritualität eindringen.

Ich freue mich natürlich besonders, dass ich auch weiterhin für die Priesterbildung etwas tun darf durch geistliche Begleitung, durch Kurs-Exerzitien für kürzlich geweihte und inzwischen ergraute Weihejahrgänge und natürlich auch durch das Gebet.

In guter Erinnerung ist für mich auch das konfessionsverbindende Brautpaar Regina und Ralf Hömme, die ich mit einem evangelischen Mitbruder in der Petri-Kirche trauen durfte. Die zahlreichen jungen Leute, die an diesem Gottesdienst mit großer innerer Beteiligung teilnahmen, sind mir noch in guter Erinnerung.

Der Kontakt zu meiner großen Familie ist mir auch weiterhin eine große Hilfe und erstreckt sich über ganz Deutschland: Meine Verwandten leben in Wilhelmshaven, Berlin, Altenstadt/Waldnaab und Hoßkirch bei Ravensburg, in Heidelberg, Wennigsen, Hannover und Freiburg, in Düsseldorf, Recke, Arolsen und Nürnberg, in Bad Hersfeld, Meerbusch und Fulda, in Duderstadt, Krefeld, München, Köln und Lütjenburg, in Greven, Glandorf, Braunschweig und natürlich auch in Münster.

Im November starb im Alter von 97 Jahren Onkel Paul Raschke. Es hat mich tief getroffen, wie sehr er leiden musste, aber auch wie sehr sich meine Schwester Hildegard und seine Kinder sich um ihn gekümmert haben. Meine Schwester Hildegard lebt jetzt aus Solidarität mit dessen Frau Tante Tona in einem kleinen Apartment – immer in Rufweite der Hauspflege des benachbarten Seniorenstiftes. Ihre Stadtwohnung stellt Hildegard jetzt den Geschwistern immer wieder für Kurzurlaube in Wilhelmshaven zur Verfügung.

Um die Jahreswende musste ich auch ertragen, dass meine frühere Haushälterin Frau Emmi Schäfer, kurz nachdem sie erste Schritte ins Altenheim wagte, morgens tot im Bett aufgefunden wurde; sie wurde 88 Jahre alt. Leider hinderte mich eine Erkrankung daran, bei der Beerdigung und beim Requien dabei zu sein. Ich freue mich sehr, dass ich am 04. März 2007 das Sechswochenamt für sie in Köln St. Pius feiern kann.

Mit meiner Gesundheit bin ich trotz mancher Unpässlichkeiten und Schwierigkeiten sehr zufrieden. Das regelmäßige Schwimmen und der Besuch im Fitnesscenter geben mir immer neue Kraft, aber auch Freude am Leben. Die Unterstützung, die mir meine Ärzte geben, besonders der HNO-Arzt Dr. Hillers kann ich nur mit großer Dankbarkeit annehmen; was sie leisten, steht in keinem Verhältnis zu dem, was ich dafür zu bezahlen habe.

Am Ende des Briefes drängt es mich, allen zu danken, die meinen Dienst und mein Leben durch Gebet und praktisches Tun unterstützen und begleiten. Die selbstverständlich gewordene und doch nicht selbstverständliche konkrete Verbundenheit im Priesterfokolar – für mich auch heute noch ein großes, unverdientes Geschenk – hat für mich einen hohen Stellenwert und macht es mir möglich, mich in der Fokolar-Bewegung, sei es vor in Ort in Münster, sei es in Solingen, aber auch in ganz Deutschland und Europa zu engagieren.

Ich konnte diesen Brief im Benediktinerinnen-Priorat Fahr (bei Zürich) vollenden. In diesem sehr empfehlenswerten Frauenkloster gebe ich zurzeit die Jahresexerzitien.

Allen, die diesen Rundbrief erhalten, sende ich auf diesem Wege herzliche Grüße und ein immer neues Gedenken im Gebet.

Wilfried Hagemann

zurück