Predigt zum diamantenen Priesterjubiläum von Josef Gleich

Lieber Sepp,
liebe Familie Gleich,
liebe Mitbrüder im Priesteramt,
liebe Gemeinde!

Heute feiern wir ein seltenes Fest: ein diamantenes Priesterjubiläum.

Wir feiern, dass du, lieber Sepp, dich vor 60 Jahren der Kirche und Gott zur Verfügung gestellt hast, im Dienst an der Verkündigung des Evangeliums, im Aufbau der Gemeinde und in der Seelsorge für viele Einzelne. Die Sorge um den Menschen und um die Kirche, die Sorge um alle Menschen treibt dich um.

Durch deine Bekanntschaft – und sicherlich darf man auch sagen – durch deine Freundschaft mit der Gründerin der Fokolar-Bewegung, Chiara Lubich, hat sich dein Blick geweitet und hat Weltdimension angenommen.

Du hast Freunde in vielen Ländern: dein Anliegen war es, der Kirche vor Ort, ob in Pakistan, in der Slowakei oder in Tschechien, ob in Brasilien oder in Deutschland, zu helfen und jene lebendige Gemeinschaft zu sein, in der man ganz Familie ist und gleichzeitig ein offenes Herz hat für jeden, der dort lebt.

Im Laufe deines Lebens ist dir klar geworden, dass nicht jeder zur Kirche gehören muss, dass aber jeder von der Kirche geliebt werden soll. Du hast verstanden, dass Kirche eine Gemeinschaft ist, die als einzigen Mittelpunkt Jesus Christus hat, den Auferstandenen, der heute lebt. Darum hat dich dein ganzes Leben ein Wort begleitet: „Ein Hirt und eine Herde“. Dieses Wort aus dem 10. Kapitel des Johannes-Evangeliums meint Jesus als den Hirten und uns alle als seine Herde, seine Freunde. Wie es die Schafe von ihrem Hirten tun, so sollen auch wir von Jesus das Leben empfangen.

Du wolltest helfen, dass dieser Hirte heute bei den Menschen „ankommt“. Was für ein Projekt! Was für eine Aufgabe! Du bist, als unerschrockener Mann, davor nicht zurück geschreckt. Du hast den Krieg und die Gefangenschaft erlebt. Monatelang hast du dich zu Fuß von Mecklenburg in deine Heimat, nach Gabelbach, geschleppt. Eine innere Kraft hat dich immer vorwärts geführt.

Durch Chiara Lubich ist dir tiefer klar geworden, dass dieser Jesus heute lebendig ist und lebt. „Überall, wo wir leben,“ sagte sie, „gilt es diese kleinen Diamanten zu bewahren: die Gegenwart Jesu unter uns. Es ist etwas Wunderbares, hier auf Erden mit ihm zu leben. Es ist etwas Großartiges, das uns nicht genügend bewusst ist.“

Das Charisma von Chiara Lubich hat dich zutiefst erfüllt und geprägt. Für uns Priester in Deutschland warst du sehr wichtig. Nachdem du beim ersten Sommertreffen in den Dolomiten dabei warst und auf dieser Mariapoli 1958 gesehen hast, was die konsequente Ausrichtung auf Jesus unter uns bewirken kann, hast du dir gesagt: Das müsste doch auch sicherlich unter Priestern möglich sein.

Dazu gehörte Hans Heilkenbrinker, der die letzten 20 Jahre seines Lebens in Ottmaring verbracht hat. Dazu gehörten auch Klaus Hemmerle und Rudolf Hermann und viele andere Priester in Deutschland – auch ich durfte dabei sein –, die auf neue Weise ihr Priestersein leben wollten. Primär geht es nicht um die Spendung der Sakramente, sondern darum, sich persönlich von Jesus prägen zu lassen und miteinander eine Gemeinschaft zu werden, in der Jesus lebendig ist.

Du hast diesen Diamanten für uns Priester ins Licht gestellt. Du hast konsequenterweise dein Pfarrhaus geöffnet für das „Leben mit den Brüdern“, das dir so wichtig war. Gäste waren immer willkommen. Fräulein Rosa, wie Sie früher genannt wurde, kann man nur bewundern. Sie war immer bereit, neue Menschen ins Haus aufzunehmen, als Priester, aber auch als Mitarbeiter in der Küche und in der Gemeinde.

Wo auch immer du tätig warst – in der Gemeinde Hl. Dreifaltigkeit in Augsburg, als Expositus in Wittelshofen, als Pfarrer in Affalterbach, Ottmaring und Aresing oder heute im St. Verena-Haus in Augsburg – immer war es dein Anliegen, gastfreundlich zu sein und Menschen als Gäste bei dir willkommen zu heißen.

Du hast Züge eines Vaters für uns, die uns an den großen Abraham erinnern. Wie er, bist auch du immer wieder aufgebrochen, um Gott zu folgen.

Ein ganz wesentlicher Aufbruch geschah für dich in der Ökumene. Dass es heute Ottmaring gibt und das Ökumenische Lebenszentrum, hat auch mit einer inneren Entscheidung von dir zu tun. Noch in Wittelshofen bist du einer Einladung zu einem evangelischen Kirchentag in der Schweiz gefolgt. Dort hast du vom Leben der Einheit erzählt, das sich für dich im Fokolar verdichtet hat. Deine Zuhörer hatten sogleich den Wunsch, das Fokolar kennen zu lernen und aus diesem Geist zu leben. So entstand die ökumenische Siedlung in Ottmaring.

Und deine Wurzeln? Sie sind bestimmt hier in Gabelbach, bei deinen Eltern, bei deiner zweiten Mutter und deinen Geschwistern. Sie reichen hinein bis in die weltweite Kirche in Brasilien, in Pakistan oder in der Slowakei.

Mit dabei sind heute auch Mitfeiernde, die unser Auge nicht sehen kann, die uns aber trotzdem ganz nahe sind. Ich denke an deine Eltern und deine verstorbenen Geschwister. Ich denke an Klaus Hemmerle, den Bischof, der dich so geschätzt hat und den du so aufmerksam und treu begleitet hast. Ich denke an Chiara Lubich und an viele aus den Anfängen der Fokolar-Bewegung, mit denen du dich verbunden fühlst.

Lieber Sepp, du bist ein Pionier. Weil du dich schon als Seminarist nach der Vollständigkeit der Kirche gesehnt hast, hast du einen Verein gegründet, den St. Elisabeth-Verein. Damit wolltest du den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, die in Schleswig-Holstein in der Diaspora lebten, kirchlich nahe sein. Als die Nöte dort abnahmen, gabst du dem Verein eine neue Ausrichtung. Er diente nun für die Kontakte in die DDR. Wie oft warst du in Leipzig oder anderen Städten in Ost-Deutschland, weil es dir ein Anliegen war, bei den Brüdern zu sein.

Wie gut passen die Texte des heutigen Sonntagsevangeliums zu dir! „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ – Du hast dich nie gefürchtet, auch nicht vor der Kleinheit der Kirche. Du hast dich eingesetzt und dabei verstanden und akzeptiert, wie es nun weiter heißt: „Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben. Verkauft eure Habe und gebt den Erlös den Armen. Macht euch Geldbeutel, die nicht zerreißen, verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, droben im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn zersetzen kann.“

Das sind deine Themen: Gütergemeinschaft, Großzügigkeit, Teilen. Das war dein Leben, genau das hast du getan. Wie viele Menschen, Priester und Bischöfen haben von deinem unermüdlichen Teilen profitiert. Du hast dir einen Schatz im Himmel geschaffen, der dir nicht genommen werden kann. Dein Licht ist nicht verlöscht, du hast deinen Gürtel nicht abgelegt. Du warst offen für das immer neue Kommen des Herrn.

Die Worte der Lesung aus dem Buch der Weisheit weisen den Weg in die Zukunft: „Die Nacht der Befreiung wurde unseren Vätern angekündigt, denn sie sollten zuversichtlich sein und sicher wissen, welchen eidlichen Zusagen sie vertrauen konnten.“ Genau darum geht es auch heute. Wir leben im Dunkel, in einer Nacht, aber wir dürfen zuversichtlich sein, dass das Licht kommt.

Wer auf dich schaut, lieber Sepp, kann zuversichtlich sein. Er bekommt Hoffnung und Kraft und freut sich mit dir.

Dank ist angesagt. Dank an den guten Gott. Er ist kein böser Richter, der uns bestrafen will, sondern er will unsere Freiheit. Er will, dass wir leben und froh sind. Er will uns glücklich, nicht nur heute, sondern wirklich bis in alle Ewigkeit. Amen.

Gabelbach, Gemeinde Maria zum Trost, 8. August 2010

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