Predigt zum Requiem von Pfarrer i.R. Josef Gleich

Lieber Bischof Joachim,
liebe Rosa und Sophie,
liebe Gäste aus Rom Don Adolfo Raggio und Iride Goller,
liebe Renata und lieber Herbert vom Fokolar,
liebe Mitglieder von Bruderschaft und Fokolar,
liebe Brüder im priesterlichen Hirtendienst,
liebe Schwestern und Brüder hier in diesem Gottesdienst!

An dir, lieber Sepp,
sehen wir, was ein Priester ist, was ein Priester auch heute sein kann. Wir hörten es gerade im Evangelium. Alles Leben der Kirche, wirklich alles Leben, geht aus von Jesus Christus, dem guten Hirten, der seine Kirche liebt und für alle Menschen sein Leben hingegeben hat. Diesem einen Hirten, hast du, lieber Sepp, gedient. Ihn hast du auch durch dein Leben und deinen priesterlichen Dienst präsent gemacht. So hast du es bezeugt bis in deine letzten Stunden hinein:

Gott ist Liebe, Gott ist der Hirte,
der die Seinen immer im Auge hat und begleitet und liebt.

Auf diese Liebe wolltest du antworten. Aus dieser Liebe hast du bis zuletzt gelebt.

Sehr früh spürtest du, mitten in den Bedrängnissen der Nazi-Zeit, getragen von der katholischen Jugend des Bistums Augsburg, den Ruf zum Priestertum, zum Hirtendienst als Priester. Diesem Ruf bist du gefolgt, auch wenn sich immer wieder neue Mauern auftürmten:
Krieg
Reichs-Arbeitsdienst
Fallschirmjäger
russische Gefangenschaft
gefährliche Flucht aus der Gefangenschaft
Wechsel im Priesterseminar

Später fandest du im Psalm 18 eine Antwort: „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ – wir haben diesen Vers eben bewusst gebetet.

Josef Gleich war durch und durch Pfarrer. Er konnte Gemeinde bilden, leiten und führen. Er war ein Pionier, ein Draufgänger, einer der sich durchsetzen konnte und wollte und dadurch auch manche vor den Kopf gestoßen hat. Er brauchte einen zweiten Anlauf, um zur Priesterweihe zugelassen zu werden. In ihm lebte ein leidenschaftlicher Glaube, der in die Tat umgesetzt werden wollte.

Schon als Seminarist zog es ihn in die Diaspora, in die Flüchtlingslager von Schleswig-Holstein. Als er von der Not der Christen in der sogenannten Ostzone hörte, gründete er kurzerhand den St. Elisabeth-Verein. Tausende von Paketen wurden, unterstützt von Helferinnen und Helfern aus seinen Gemeinden, nach „drüben“ versandt. Diese Ader, konkret zu helfen, durchzieht sein ganzes Leben.

Gemeinden, Priester und Bischöfe in aller Welt, besonders in Osteuropa, in Pakistan, Brasilien und in verschiedenen Fokolarzentren der Welt empfinden noch heute eine tiefe Dankbarkeit für ihn. Erzbischof Rufin aus Pakistan rief dieser Tage an und nannte den Sepp „Il fratello grande“.

1958 gab es einen wesentlichen Einschnitt in seinem Leben. Er lernte die Fokolar-Bewegung kennen. Er begegnete dem Ideal der Einheit und vor allem Chiara Lubich, die später öfter in sein Pfarrhaus zu Besuch gekommen ist. Er ist einer der Ersten, die damals angefangen haben, sich und ihr Leben als Priester und Pfarrer von dieser noch unbekannten Spiritualität der Gemeinschaft formen zu lassen. Ich kann nur einige Akzente nennen, die er in diesem Zusammenhang setzte:

Gerne zitiere ich an dieser Stelle drei Zeugnisse. Das erste ist von Aldo Fons Stedile, der den Sepp als Weggefährten von Anfang an erlebte:

„Meine erste Begegnung mit Dir am Brenner, bei der Mariapoli in Fiera in den Dolomiten, der erste Besuch in Leipzig, die Begegnungen und die Mission in Wittelshofen, dann Affalterbach, die erste Begegnung mit den evangelischen Brüdern in Niedelbad … und in allem, immer Deine Liebe, Deine bedingungslose Verfügbarkeit für die Bewegung, die am Entstehen war, Deine grenzenlose Großzügigkeit … all diese unvergesslichen Erfahrungen mit Dir sind für mich Seiten einer heiligen Geschichte“.

Peter Husi, langjähriger Pfarrer in Zürich in der Schweiz und Domkapitular Mätthäus Appesbacher aus Salzburg heben seine Väterlichkeit und Brüderlichkeit im Glauben hervor. Er schreibt:

„Es war die großartige Brüderlichkeit Sepp’s, die mir geholfen hat, mich mit der Fokolar-Bewegung vertraut zu machen und in ihr meinen Lebensweg zu finden.“

Matthäus Appesbacher schreibt:

„Sepp gehört zu den ganz, ganz wichtigen Gestalten in meinem Leben – und auch in unserem österreichischen Zweig der Fokolarpriester, zu den 'Vätern des Glaubens' für uns."

Er war es, der die ersten Kontakte zur evangelischen Bruderschaft vom gemeinsamen Leben knüpfte. 1960, beim Kirchentag der evangelischen Bruderschaft in der Schweiz, in Rüschlikon, elektrisierte er durch sein Zeugnis vom Leben nach dem Wort Gottes in der Fokolar-Bewegung den Pfarrer Klaus Heß, sodass dieser spontan sagte: „Das ist ja Fleisch von unserem Fleisch.“ Dies war der zündende Funke für die Gründung des Ökumenischen Lebenszentrums Ottmaring und auch für das Priesterhaus Paul VI.

Die Präsidentin Maria Voce charakterisierte Pfarrer Gleich deswegen nicht ohne Grund als Pionier im ökumenischen Dialog. Chiara Lubich schenkte ihm deshalb als Lebenswort Joh 10,16: „Dann wird ein Hirt und eine Herde sein“.

Auch schwere Stunden und Jahre gehörten zum Leben von Pfarrer Josef Gleich. Er musste immer neu das Loslassen lernen. Ich denke an den Abschied von seinem geliebten Ottmaring und – nach dem zweiten Schlaganfall - an den endgültigen Abschied von den Pfarreien Aresing und Oberlauterbach im Jahre 2002 und dann auch an den Einzug ins Seniorenstift St. Verena in Augsburg.

Schon nach dem ersten Schlaganfall schrieb er:

„Alle schmerzlichen Ereignisse in meinem Leben haben für mich eine neue Leuchtkraft bekommen. … Die Berufung zum Charisma dieses großen Ideals habe ich immer gespürt. Durch die erlittene und noch durchzustehende Krankheit weiß ich es noch mehr. Ich hoffe, in Zukunft euch noch mehr davon weitergeben zu können.“

Die letzten 10 Jahre waren sehr schwer für ihn. Sie waren etwas erhellt durch den wöchentlichen Fokolartag in Ottmaring und auch durch sein diamantenes Priesterjubiläum, das er in dieser Kirche und in seiner Heimatgemeinde in Gabelbach mit seiner Familie gefeiert hat. Sie vor allem getragen vom unermüdlichem Begleitet-Sein durch seine Haushälterin Rosa Steinegger und viele Einzelne, die ihn immer wieder besuchten.

Wie sollen wir heute Pfarrer Gleich sehen?

Ich glaube, er war eine prophetische Existenz, ein Prophet des Aufbruchs. Seine Leidenschaft für die Einheit war anstößig, oft nicht bequem. Er musste viel leiden und verursachte auch Leiden. Nur so ist eine Leidenschaft authentisch, wenn jemand bereit, dafür auch selber zu leiden. Wenn er die Gemeinschaft mit den Priestern und dem Fokolar nicht gefunden hätte, wäre er zum Einzelgänger und zum Rebell geworden. In der Gemeinschaft, die er immer wieder gesucht hat, konnte er seine Originalität, seine Gaben, bewahren, ja entfalten.

Lieber Sepp,
ich möchte dir danken – auch im Namen von uns Fokolarpriestern – für deine Treue und Einheit, die du bis zuletzt gelebt hast. Ich danke dir für den fröhlichen Glauben, den du gerade in den letzten beiden Tagen deines Lebens bezeugt hast, in einer inneren Freiheit zu sterben, die so deutlich alle, die da bei dir waren, tief beeindruckte.

Gemeinsam danken wir alle dem Vater im Himmel für die brennende Liebe deines großen Herzens, für dein Leben mit dem Gekreuzigten im Glauben an den Auferstandenen. Möge er, dem du gedient hast, dir Hirte sein, Freund und das Leben.

Amen.

Ottmaring, 26. Oktober 2012

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