Transparenz werden für Gottes Licht
Lieber Vater Abt, liebe Mitbrüder,
liebe Eltern Heckel, lieber Bruder Noach,
liebe Schwestern und Brüder in der Festgemeinde!
Es ist für mich sehr bewegend, mit dir, lieber Noach, deine feierliche Profess mitzuerleben und zu begleiten. Gleichzeitig freue ich mich sehr, dass ich auf diese Weise meine langjährige Verbundenheit mit dem Kloster - ich war zum ersten Mal 1959 hier – zum Ausdruck bringen kann. Ich kann nicht vergessen, dass meine zwei Brüder in Ihrer Gemeinschaft gelebt haben.
Die erste Lesung, die wir heute hörten, gibt den Ton an für diese Feier. Es geht um jenen Gott, der Jakob, das Volk Israel und seine Kirche geschaffen, ja geformt hat und uns beim Namen gerufen hat: „Du bist mein“. Heute geschieht das Erschreckende oder Unglaubliche, dass wir sagen dürfen, zu unserem Gott: „Du bist mein“. Der christliche Glaube vermittelt ein Gottesverhältnis auf Augenhöhe, in Gegenseitigkeit und Freiheit. Dann wird wahr, dass wir durch Wasser schreiten können, durch Ströme und Feuer und nicht mitgerissen oder verbrannt werden. Ja, wir können uns auf das ganze Leben mit seinen Höhen und Tiefen fröhlich, wie Martin Luther sagen würde, einlassen, weil dieser Gott mitgeht und auf seine Weise, manchmal auch auf seine verborgene Weise, uns zu verstehen gibt: „Denn ich, der Herr, bin dein Gott. Ich, der Heilige Israels, bin dein Retter“. (Jes 43, 1-3) Wer diesem Gott begegnet, wird als Person gestärkt und kann „Ich“ sagen. Dann auch „Du“. Dann auch „Wir“.
So ist es auch dir, lieber Noach, ergangen. Das Jurastudium wies eigentlich in eine andere Richtung, und dann kamen neue Fragen und darin immer deutlicher ein neuer Ruf, der dich, deine Familie und alle, die mir dir lebten, ganz schön herausforderte. So hast du dich neu auf den Weg gemacht. Ja, du bist noch auf dem Weg. Dein Weg führte dich nach Münsterschwarzach, dann auch nach Marktheidenfeld, Nairobi und Münster. Und dort sind auch wir uns begegnet.
Ich durfte erleben, wie sich immer tiefer und persönlicher und klarer deine Antwort entwickelte, die auf deiner Einladungskarte zu finden ist: „Mein Herr bist du, mein ganzes Glück bist du allein.“
Wenn einer sich auf Gott einlässt, wenn eine Klostergemeinschaft ihn annimmt, wie wir es heute in der Profess erleben, dann gibt es einen neuen Anfang. Dieser Anfang hat wie jeder Anfang mit dem zu tun, der „im Anfang“ war. Und so heißt es ganz zu Recht im heutigen Evangelium aus dem Prolog des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das WORT, und das WORT war bei Gott, und Gott war das WORT.“ Durch dieses WORT ist nicht nur alles geworden, sondern dieses WORT wurde Fleisch. Wo dieses göttliche WORT in einen Menschen fällt oder in eine Kommunität, da nimmt dieses WORT auch heute Fleisch an, wird sichtbar und hörbar und nimmt seine Tätigkeit auf. Denn das WORT will wandeln und verwandeln. Dieses WORT ist Licht, Leben, Wahrheit und Gnade, es ist alles.
Im WORT zeigt sich die ungeheure Dynamik Gottes, der nicht mit einem Paukenschlag die Welt verändert, sondern prozesshaft auf den Menschen und die Gemeinschaft einwirkt. Es setzt immer einen neuen Anfang, weil jener Gott, von dem das WORT ausgeht, ein Gott des Anfangs ist, ein Gott, der den Menschen nie verloren gibt, sondern in immer neuer Verheißung auf ihn zukommt, bis zum heutigen Tag, bis in diese Profess hinein. Und dann ereignet sich: Wenn ein Mensch dieses göttliche WORT hört, es annimmt und lebt, es in sich selbst Fleisch werden lässt, dann fängt dieses WORT fast wie von selbst an, in ihm zu sprechen und sich weiterzuschenken an so viele Menschen. So lese ich im Prolog der Benediktregel:
45 Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten. (…) 49 Wer aber im klösterlichen Leben und im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes. (Prolog der Benedikt-Regel)
Ein ausdrückliches Beispiel für einen solchen Prozess der neuen Fleischwerdung des WORTES durch den Kontakt mit Menschen, die aus der Bendediktregel und dadurch aus dem WORT Gottes leben, sind für mich die evangelischen Schwestern auf dem Schwanenberg vom Casteller Ring, die von Münsterschwarzach ihren Lebensimpuls empfangen haben. Das klösterliche Leben der Abtei, das WORT Gottes, das hier gelebt wird, hat eine ökumenische Wirkung.
In welche Welt trifft heute das WORT, das Bruder Noach hier spricht? Darauf gibt unsere zweite Lesung eine Antwort. Ohne Schnörkel spricht Paulus die Situation der ersten Christen in ihrer Welt an: „Ihr lebt mitten in einer verdorbenen und verwirrten Generation“, also mitten im Chaos, ohne Orientierung. Die Christen damals waren in Gefahr zu murren, Angst zu bekommen, den Bedenkenträgern Recht zu geben. Paulus sieht diese Gefahr, noch mehr aber sieht er eine Chance: Trotz so vieler Fragen, die die Menschen damals bewegten, können die Christen ein Licht sein und auf diese Weise transparent werden für Gott, für den Gott, der in ihrer Mitte lebt, der in der konkreten Liebe der Urgemeinde sichtbar und anfassbar wurde.
Vermutlich werden wir unsere Zeit nicht so beschreiben, aber auch wir stöhnen, vielleicht murren wir gelegentlich über die Bedrängnisse der Kirche, über den bedrückenden Rückgang an Gottesdienstbesuchern, an Berufungen und auch an gesellschaftlicher Relevanz. Manchmal fragen nicht nur Junge, sondern auch Alte: „Wo hast du uns hingestellt? Was hast du mir uns vor? Wie soll es weitergehen?“
Diesen Fragen dürfen wir an einem Tag wie heute nicht ausweichen. Dann aber kann uns das Pauluswort, das du, Noach, über diese Feier gestellt hast, eine echte Perspektive aufzeigen: „Transparent werden für Gottes Licht“. Das Licht ist ja da. Es ist Jesus selbst, der Gekreuzigte und Auferstandene. Er kommt auch heute in unsere Welt, wenn wir transparent werden für ihn. Das geht doch in Gemeinschaft viel leichter als allein. Genau da liegt die Chance auch dieses Klosters. Und dazu trägt jeder Mönch bei, wenn er mittut, dass die Gemeinschaft durchlässig wird für diesen Christus. Genau das ist das Anliegen einer jeden Professfeier.
Dein Professbild, lieber Noach, zeigt einen Christus, unmittelbar nach seinem Tod, ganz in Frieden, ganz gelöst, fast lächelnd: Jemand, der ganz bei sich ist und ganz beim Vater, der sich angenommen weiß und auf diese Weise transparent wird für den Gott und Vater, dem er sein ganzes Leben verdankt und gegeben hat. Dieser Christus ist das Licht, das aus einer andern Welt in unsere Welt leuchtet. Dieser Christus weiß, was die Menschen bewegt, woran sie leiden, woran sie scheitern, was ihnen gut tut.
Wenn Menschen, wenn Christen, wenn Mönche sich auf diesen Christus einlassen, dann werden sie befähigt, mit wachen Augen und Ohren durch diese Welt zu gehen. Sie können nicht anders als andere zu tragen, von anderen zu lernen, mit anderen zu leben. Wo dies in Gemeinschaft gelebt wird, entsteht wie von selbst eine Arche, ein Raum der Rettung mitten in den Stürmen und Unbilden, die das Leben mit sich bringt.
Dein Name, lieber Noach, weist in diese Richtung. Die Arche machte nach der Sintflut einen neuen Anfang möglich. Dein Name erinnert daran, dass die Kirche, ob im Kleinen oder im Großen, ob in einer Hauskirche oder im Kloster oder in einer Gemeinde, immer neu die Berufung empfängt Arche zu sein, Rettungsboot für alles Leben, das Gott geschaffen hat.
Liegt da nicht der Sinn des Recollectio-Hauses? Raum zu geben, dass Menschen leben können, glauben können, ja eine neue Freiheit erleben, die aus der Gnade kommt? Liegt darin nicht der Sinn der Kongregation der Missionsbenediktiner? Missionare werden in unserem Land oder weltweit, indem wir alles daran setzen, dass bei uns selbst etwas passiert, dass wir transparent werden für Ihn als Licht?
Dieses Kloster gewährt in unterschiedlicher Weise Menschen nah und fern neue Lebensanfänge. Vielleicht auch, weil dieses Kloster selbst mehrfach neue Anfänge erlebt hat. Gegründet ca. 877, Neugründungen 1001 und 1648. 1803 aufgehoben, 1913 neu gegründet, 1941 wieder aufgehoben und 1945 nach dem Krieg wieder neu begonnen. So viele Anfänge.
Auch in dir, lieber Noach, sehen wir diesen Anfang. Vielleicht dürfen wir alle, die wir heute bei dieser Feier dabei sind, uns in der Überzeugung bestärken lassen, dass niemand es uns nehmen kann, in unserem eigenen Leben, einen neuen Anfang zu setzen.
Wir können dies tun im Blick auf Jesus den Gekreuzigten und Verlassenen, wozu uns das Zeugnis von Chiara Lubich auf dem Professbild einlädt:
Gott hat mir
eine große Leidenschaft
ins Herz gegeben: Jesus
den Gekreuzigten und Verlassenen!
Vom Kreuz aus sagt er mir:
„Alles, was ich hatte, habe ich
für dich hergegeben, alles!...“
So spricht er zu mir/zu uns;
und er ruft mich/uns, ihm zu folgen.
Er ist meine Leidenschaft!
Münsterschwarzach, 19. September 2009