Weniger Geld - weniger Kirche?
Dieses Prisma-Heft fällt aus dem Rahmen.
Weniger Geld – weniger Kirche? Ist diese Schlussfolgerung zwingend?
Das Heft ist eine Suchbewegung im Blick auf die für manche Diözesen so prekären Finanzfragen, die so vielen Gemeinden, Priestern sowie haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im deutschen Sprachraum immer mehr zur bedrängenden Belastung wird.
Den Herausgebern ist durchaus bewusst, dass die finanzielle Situation in den Diözesen des deutschen Sprachraums nicht einheitlich, sondern sehr unterschiedlich ist. Dabei sind die Verhältnisse in der Schweiz einerseits und in Deutschland und Österreich andererseits staatskirchenrechtlich und steuerlich fast diametral entgegengesetzt und nicht vergleichbar.
Dieses Heft behandelt ein Problem, das in Deutschland zurzeit besonders heftig diskutiert wird. Die Fragestellung selbst könnte jedoch auch für den ganzen deutschen Sprachraum interessant sein. Denn es stellt sich hier wie dort die Frage, in welcher Weise Seelsorge und Finanzen aufeinander bezogen sind.
Wir möchten mit diesem Heft einen Dienst leisten, um in einem Prozess, der für viele Bistümer nicht leicht ist, Orientierung zu gewinnen.
Dieses Heft will Mut machen, sich der heutzutage oft auch herausfordernd harten Finanz-Situation der Krchen zu stellen. Im Hintergrund steht die Überzeugung: Gott umarmt uns mit der Wirklichkeit auch unserer schwindenden finanziellen Ressourcen. So möchte man mit Will Lambert SJ ausrufen! Der ernüchternde geschichtliche Rückblick auf die Säkularisierung 1803 lenkt den Blick auf gewaltige Umschichtungen, die z.T. noch stärker waren als heute und zeigt auf, dass die Früchte dieses Prozesses, die erst 50 Jahre später erkennbar wurden, mit Verlusten verbunden waren, die die Kirche in Deutschland bis heute nicht aufholen konnte. Dies kann durchaus zur Vorsicht mahnen.
Informationen zum heutigen Kirchensteuersystem liefert der Beitrag des früheren Generalvikars der an Kirchensteuern nicht armen Erzdiözese Köln. Einblick in die Denk- und Arbeitsrichtung eines Weihbischofs gibt der Beitrag „Aufbruch mit Vision“, ein Versuch im finanziell selbständigen Oldenburger Teil des Bistums Münster.
Der Artikel des Grazer Pastoraltheologen Rainer Bucher will bewusst provozieren, wenn er den Gründen nachgeht, warum es uns in der Kirche Westeuropas so schwer fällt, auf die unterschiedlichen Facetten der Kirchenkrise zukunftsoffen zu reagieren.
Wie die „Personalchefs“ der nordwestdeutschen Bistümer mit den schwindenden personellen und finanziellen Ressourcen umgehen, zeigt der Beitrag des Hamburger Personaldezernenten.
Das gewachsene Potenzial im Personal und in der Pastoral wahrzunehmen, hinreichend zu würdigen und für eine Weiterentwicklung nutzbar zu machen, ist Voraussetzung für eine entsprechende Planung. Hohe Transparenz, faire Kommunikation und Beteiligung der Betroffenen sind dabei Schlüssel zur Sicherung von Vertrauen, Glaubenswürdigkeit und Dienstgemeinschaft.
Dass einschneidende finanzielle Maßnahmen nicht von vorneherein der Pastoral schaden, sondern sogar neues ehrenamtliches Engagement und echte Solidarität auslösen, schildert ein Pfarrer aus dem Erzbistum Berlin. Interessant ist auch das Interview mit einem Pfarrer im Norden von Paris, der um der Gleichheit willen mit seinen Ehrenamtlichen in der Pfarrei auch selbst beruflich tätig ist und ehrenamtlich als Pfarrer arbeitet.
Dass es möglich und für die Sache der Kirche auch sinnvoll sein kann, ohne Kirchensteuer auszukommen, zeigt der Bericht über das österreichische Benediktinerkloster auf Gut Aich im Salzkammergut und die von Arnold Stötzel dokumentierte Erfahrung der Katholischen Integrierten Gemeinde.
Weniger Geld – ärmer werden – als wichtigste Ressource zunächst das Evangelium sehen – sind dies eventuell Aspekte, die einer ehemals eher reichen Kirche wieder bewusst werden müssen?
Gelebte Solidarität – davon berichtet der Beitrag über die Steyler Missionsschwester Olivia, die in Mönchengladbach sozusagen mit argentinischem Hintergrund Zukunftweisendes und für echt arme Männer Hilfreiches tut. Der „Armut-TEILEN-TAG“, den das ökumenische Sozialwort der Kirchen Österreichs vorschlägt, ist nur denkbar für Personen und Gemeinden, die dem fehlendem Geld und den weniger werdenden Finanzmitteln nicht nachtrauern, sondern sich ganz neu auf solidarisches Teilen und sogar auf verantwortliche Formen von Gütergemeinschaft einlassen.
So gesehen kann „weniger Geld“ sogar „mehr Kirche“ bedeuten.
Wilfried Hagemann