Editorial 2_2010

Hörende Pastoral

Hören, zuhören, im Dialog sein - das sind wichtige Baustein für die neu zu entwickelnde Glaubwürdigkeit der Kirche in unseren Ländern. Darauf hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, vor der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz eindringlich hingewiesen.

Der gerade emeritierte Innsbrucker Professor für Interkulturelle Pastoraltheologie und Missionswissenschaft, Franz Weber, zeichnet entscheidende theologische Perspektiven für eine Pastoral der Aufmerksamkeit. Das „Ohr am Puls der Zeit“ haben, sollte Marken- und Erkennungszeichen der Kirche werden. So könne das pastorale Schisma zwischen Kirchenleitung und Kirchenbasis, von dem mancherorts gesprochen würde, überwunden werden.

Wie solches gegenseitige Hinhören geht, zeigt der frisch promovierte Kaplan Udo Stenz auf. In einer sprachlich sehr anspruchsvollen Auseinandersetzung mit dem Denken von Edmund Husserl und Edith Stein gewinnt er den Zugang zur zentralen Kategorie der „Einfühlung“, die ein engagiertes Zuhören und Miteinander-Sprechen in- und außerhalb von Kirche, ja ein Zuhören auf Gott selbst und sein Wort ermöglichen.

Der Hildesheimer Regens Christian Hennecke reflektiert im Blick auf die Kleinen Christlichen Gemeinschaften den Prozess des Hörens auf das Wort Gottes – in der Schrift und im Alltagsleben - und die Nöte der Menschen in der Nachbarschaft. In der von ihm geschilderten Hörkunst scheint etwas auf, was er prophetische Ekklesiologie nennt. Ein solches Hören ist angewiesen auf Kriterien, die Hennecke aus der Tradition der Gesamtkirche erschließt.

Der Erfahrungsbericht von Marianne Reiser, einer Kirchenpflegerin bzw. Rendantin in Zürich, zeigt wichtige Etappen des Hör-Weges von Mitgliedern ihrer Gemeinde auf. Er geht aus von der Gegenwart Christi unter ihnen und führt hin zum Engagement für die Armen.

Meinolf Wacker, langjähriger Diözesanjugendseelsorger des Erzbistums Paderborn, Pastor in Kamen – bekannt durch das Autobahnkreuz von A1 und A2 in Norddeutschland – sieht im Herzen eines Bruders die Voraussetzung einer Pastoral des Hörens. Als ihn in den Nachrichten das Grauen des Bosnienkrieges trifft, hört er in den schrecklichen Bildern eines dem Bombenhagel entkommenen Kindes einen Ruf Jesu und sieht dessen „flehende Augen“. Er konnte nicht ahnen, dass er später Hunderte von Jugendlichen hineinführen würde in ein Hören und Sehen der Not und der Bedürftigkeit der Menschen in Sarajewo. Daraus entstand ein Weg des Friedens, der auch jetzt noch seine pastorale Arbeit in Kamen bestimmt.

Am Leben der Kleinen Schwestern Jesu in Gräfentonna/Thüringen zeigt Schwester Marlene-Geneviève auf, wie schön, ja wie buchstäblich tief es sein kann, in voller Hör- und Rufweite vor Ort zu leben. Menschen von heute, die den Namen Gottes vielleicht nicht einmal mehr kennen, entdecken in der Sportfreundin, in der Gartenfreundin eine „Kirchenfrau“, die auf ein tiefes Geheimnis verweist und mithören lässt, was sie bewegt.

Das Thema „Hörpastoral“ bewegt auch den neuen Vorsitzenden der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Franz Josef Bode von Osnabrück, der sich in einem ausführlichen Interview die Fragen von „Das Prisma“ anhörte. Er wünscht sich von der Kirche, dass sie eine pilgernde, hörende und dienende wird, eine Kirche, die unterwegs bleibt. Er sieht in den Jugendlichen ein großes Potential von Ursprünglichkeit und Echtheit. Er wünscht sich Amtsträger und Mitarbeiter, die auf die anderen und aufeinander hören und der Versuchung des Neoklerikalismus widerstehen. Alle, Hauptberufliche, Geweihte, Gesendete und Beauftragte, müssen lernen, demütig und barmherzig zu sein. So können sie den Getauften und Gefirmten beistehen, ihr Christsein zu leben und Mitverantwortung in der Kirche zu übernehmen.

Hörbereite Pastoral – ein weites Feld. Es gibt schon viele echte Ansätze.

Wilfried Hagemann

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