Editorial 2_2013

"Du bist mein Herr; mein Glück bist du allein." (Ps 16,2)
Lebenswege von Priestern heute

Das von Priestern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz herausgegebene PRISMA möchte mit diesem Heft ein für den deutschsprachigen kirchlichen Raum komplexes und zugleich dringend notwendiges Thema ansprechen: Lebenswege von Priestern heute.

Können Priester glücklich werden? Das war die Ausgangsfrage für das vorliegende Heft.

Angesichts der Tatsache, dass Priester, ja auch Bischöfe öffentlich auf dem Prüfstand stehen, scheint es geboten, einen erfahrungsbetonten und an der Lebenspraxis orientierten Blick auf die Situation und das Leben der Priester in unseren Ländern nördlich der Alpen zu werfen. Wir schauen darum bewusst, wen auch nicht ausschließlich auf die zölibatär lebenden Priester des lateinischen Ritus.

Wer heute sich mit den Lebenswegen von Priestern auseinandersetzt, stößt auf mannigfache bedrängenden Situationen, denen nicht nur viele Christen (aller Kirchen), sondern eben auch viele Priester und Pfarrer ausgesetzt sind. In diesem Kontext braucht es eine ruhige und umfassende Grundhaltung, die ihr Fundament hat in einer klaren Spiritualität mit einer in Christus gegründeten Gottesbeziehung und ebenso in einer tragfähigen menschlichen Reifung und psychologischen Bildung.

Der längere einleitende Text von Klaus Hemmerle - im Januar 2014 feiert die Diözese Aachen das 20. Gedenken seines Todes - lenkt den Blick des Lesers auf die heutigen Bedrängnisse von Priestern, in denen die verwandelnde Kraft, die vom gekreuzigten Herrn ausgeht, dem Leben und Wirken von Priestern neue Dynamik und Fruchtbarkeit schenkt.

Es verwundert nicht, dass heute junge Menschen fast nicht mehr oder immer weniger die großartige Chance kennen, die das Leben eines Priesters auch heute eröffnet: sich ohne Wenn und Aber der Sache Gottes zu verschreiben, das eigene Leben in den Dienst des Evangeliums und der Kirche zu stellen, und dies mit allen Konsequenzen: In einer herausfordernden gesellschaftlichen Situation, die von Säkularität, Individualität und ausgeprägter Diesseitigkeit geprägt ist, mit einer persönlich verantworteten Ehelosigkeit in eingeübter Team-Arbeit mit hauptamtlichen und ehrenamtlichen Laien die Sorge zu übernehmen, kleine und größere christliche Gemeinschaften zu gründen und zu begleiten.

Auf heutige Generation junger Priesterkandidaten hin zeichnet Regens Dr. Christian Hennecke / Hildesheim wichtige Gesichtspunkte auf, die für eine zeit- und evangeliumsgemäße Priesterausbildung entscheidend sind. Hennecke gibt Einblick in die Sorgen eines Regens, der seine Augen in einer als dramatisch einzustufenden kirchlichen Situation offen hält, nach tragfähigen Ansätzen für die Priesterausbildung zu suchen. Er verschweigt nicht das Dilemma, das ein Priesterausbilder heute vor sich hat, wenn er junge Menschen für Gemeinden, die oft nicht mehr in der Lage zu sein scheinen, selber Christen zu formen, ausbilden will. Beziehungsfähigkeit, persönlicher Glaube und eine klare Entscheidung zur Berufung als Christ sind für ihn Kriterien einer ekklesialen Berufung.

„Umbruchszeiten sind Gnadenzeiten“ – diesen Satz aus einem Hirtenbrief der deutschen Bischöfe stellt der Paderborner Pastoralpsychologe Prof. Dr. Christoph Jacobs an den Anfang seiner Ausführungen und gibt damit einen aufschlussreichen Ton vor. Angesichts der offensichtlichen Priester- und Gemeindekrise und den zunehmenden Gemeindeproblemen nimmt Jacobs bewusst Maß am Ruf Jesu selbst, am Ursprung jeder Sendung und jeder Berufung in der Kirche. Es ist erfrischend zu sehen, dass Jacobs aufgrund relevanter soziologischer Untersuchungen aufzeigen kann, dass es auch heute im Priestersein viele Lebensvorteile gibt. Ein gelingendes Leben als Priester und Pfarrer hängt davon ab, ob junge Menschen lernen, für sich selbst Sorge zu tragen, ihr Menschsein aus dem persönlichen Glauben an Christus zu gestalten und sich mit neuer von Evangelium her kommenden Motivation der Aufgabe der Gemeindegründung und Gemeindeformung zu stellen.

Andreas Kirchartz, ein junger Diakon aus dem Bistum Rothenburg/Stuttgart, der noch unterwegs ist, stößt bei der Suche nach seiner Berufung auf die entscheidende Frage nach seiner Beziehung zu Christus. Es ist bewegend zu sehen, wie ein junger Mensch fast unerwartet in großer Klarheit seinen „Ruf" vernimmt. Ihm gelingt es, die innere Auseinandersetzung und die daraus folgenden Konsequenzen darzustellen und anzunehmen.

Marius Grath, Theologiestudent in Tübingen, begegnet bei einer pastoralen Recherche einem Pfarrer, der sich in seiner Gemeinde als Ermöglicher und Brückenbauer sieht, mehr im Hintergrund steht, wie ein geistlicher Vater, der die Charismen in der Gemeinde entdeckt und zum Klingen bringt. In dem dabei sich entwickelnden vertrauensvollen und kreativen Zusammenwirken von Laien und Priester wird der Zölibat des Priesters zum sichtbaren Zeichen, das auf das Kommen des Gottesreiches schon in dieser Zeit verweist.

Domkapitular Matthäus Appesbacher reflektiert auf einer breiten Lebenserfahrung, wie Priestersein und Vatersein zusammengeht. Er beschreibt eine Vaterschaft, die in der Ehelosigkeit gründet, die immer neu errungen werden muss und die Quelle geistlicher Fruchtbarkeit wird.

Ansgar Hawighorst, der von der Diözesanebene wieder auf die Gemeindeebene wechselte, beschreibt in einem bemerkenswerten Rückblick auf viele Jahre priesterlichen Lebens, wie priesterlicher Dienst Maß nimmt am Christsein und im Sich-Einlassen auf den Ruf Gottes immer neu echte Erfüllung bringt.

Zwei Beiträge widmen sich den Krisen im Leben des Zölibats. Der eine berichtet, wie er durch ein Verliebt-Sein, durch eine Depression und einen Burn-out gehen musste und wie er aufgrund fachgerechter und menschlich-gemeinschaftlicher Hilfe seinen Weg fortsetzen konnte.

Der andere schaut anhand von wertvollen Tagebuchnotizen auf eine Verliebtheitserfahrung zurück die er ehrlich durchgetragen hat und dabei in seiner Gemeinde und bei einem befreundeten Pfarrer gute Begleitung erfuhr.

Der Bericht des Pfarrers Hans Schweiger führt in eine ganz andere Richtung. Angesicht einer unerwartet auftretenden Krebserkrankung und im dadurch ihm auferlegten Nicht-Können macht er eine persönliche und unerwartet tiefe Erfahrung mit Gott. Er findet zu einer inneren Ordnung des eigenen Lebens. In seiner Lebensgeschichte zeichnet sich ab, dass ein bewusstes "Erlernen" der Selbstliebe bei einem zölibatär lebenden Priester und die gleichzeitige Einübung in die Bereitschaft zum Sterben zu einer echten Lebensqualität führt. Im auf und ab der wechselnden Diagnosen seiner Krebserkrankung findet Schweiger zu einer tief empfundenen Freiheit und darin auch zu einer erfüllenden Form der Seelsorge.

Das Heft "Lebenswege von Priestern heute" sollten alle lesen, die mit Priestern zusammenarbeiten. Es dürfte klar sein, dass Priester Menschen sind, denen man nur wünschen kann, jede mögliche und denkbare Hilfe in Anspruch zu nehmen, um Menschsein, Christsein und Priestersein in seinem jeweiligen Gewicht ernst zu nehmen. Ja, Priester können auch heute in dieser säkularen Zeit in ihrem sozusagen aus dem Rahmen fallenden Beruf durchaus glücklich werden. Es lohnt sich, in die Lebenswelten von Priestern hinein zu schauen.

Wilfried Hagemann

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