Eucharistie - Brot der Einheit
Ich danke für die Einladung zum 16. Nationalen Eucharistischen Kongress und freue mich, hier bei Ihnen in Brasilien zu sein. Ich bin der Kirche von Brasilien besonders verbunden. 1978 durfte ich in Palmares bei Recife an der Bischofsweihe von Bischof Dr. Reinhard Pünder teilnehmen, der aus Deutschland stammt und mit dem ich seit über 30 Jahre hinweg tief verbunden bin. 1990 kam ich wieder nach Brasilien und besuchte Belem, Sao Paolo und Manaus. Überall traf ich Priester aus Deutschland, deren Weg nach Brasilien ich von Deutschland aus begleitet habe. Hier in Brasilia freue ich mich besonders darüber, dass ich hier Erzbischof Joao Aviz begegnen darf, den ich seit dessen Studienzeit in Rom sehr gut kenne und schätze.
Das Thema, das Sie mir gestellt haben, bewegt mich sehr. Seit dem Tag meiner Erstkommunion, unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg, am 10. Juni 1945, lebe ich aus der Eucharistie. Eine Ordenschwester, eine Ursuline, hat mich auf die erste Kommunion vorbereitet, die ich als einzelner, mitten in meiner Familie in einem normalen Sonntagsgottesdienst empfangen habe.
Ich komme aus Deutschland. Hier leben 82 Millionen Menschen, davon sind 26 Millionen Katholiken, 26 Millionen Protestanten, 5 Millionen Muslimen und 25 Millionen ohne Glaubensbekenntnis.
Ich komme aus einer Kirche, die sehr stark an den Folgen des sexuellen Missbrauchs nicht weniger Priester und Ordensleute leidet. In den letzten Monaten sind so viele, auch lang zurück liegende Fälle, bekannt geworden, die die ganze Kirche und das ganze Land erschüttern. Wir müssen jetzt lernen, dass wir demütig werden müssen. Demut tut Not, Transparenz und Offenheit. Das ist oft sehr schmerzvoll. Dabei fragen wir uns auch, wie es dahin kommen konnte. Meiner Ansicht nach ist es ein Mangel an comunio, ein Mangel an Einheit gewesen.
Wenn wir Christen zueinander stehen, wenn wir nicht als Individualisten leben, sondern uns gegenseitig unterstützen, dann kommt es zu einer vertieften Gemeinschaft, weil sich dann die Gegenwart des auferstandenen Christus schenkt, der dort gegenwärtig ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Unser heutiges Thema „Eucharistie – BROT DER EINHEIT“, Brot der Gemeinschaft, kann gerade jetzt von großer Hilfe sein.
Wir können uns dieser Aufgabe nur zuwenden, wenn wir dies in innerer Offenheit vor Gott selbst tun. Darum rufe ich den auferstandenen Jesus an mit den Worten von Chiara Lubich, der verstorbenen Gründerin der Fokolar-Bewegung:
„Jesus, du bist in der Eucharistie gegenwärtig,
welche Anmaßung und welches Wagnis,
von dir sprechen zu wollen!
Du kennst die innersten Anliegen,
die die Menschen in aller Welt dir anvertrauen:
ihre verborgenen Probleme, ihre Klagen und Nöte,
die Tränen der Freude, wenn jemand sich zu dir bekehrt.
Das alles kennst du allein,
Herz der Menschheit und Herz der Kirche“
(Chiara Lubich, In Brot und Wein, München 1977, S. 11).
Die Eucharistie ist ein Brot. Sie ist ein besonderes Brot. Es schafft Einheit, weil dieses Brot von einer ganz besonderen Qualität ist. Es ist nämlich ein Brot, das in Jesus Christus verwandelt wurde. Wenn dieses Brot empfangen wird, kann sich eine ganz bestimmte Wirkung einstellen. Dieses Brot, wenn es richtig empfangen wird, verbindet die Menschen untereinander, es verbindet die Menschen mit Jesus Christus und es führt sie zu einer ungeahnten Brüderlichkeit.
Ich möchte dieses Brot – verzeihen Sie bitte den drastischen Vergleich - mit einem Sprengsatz vergleichen. Die Eucharistie als BROT DER EINHEIT kann eine ungeheure Wirkung entfalten, sie setzt eine Energie frei, die die Menschen nicht trennt, sondern verbindet. Sie ist in diesem Sinn so stark wie eine Bombe, und hat zugleich die gegenteilige Wirkung. Die Eucharistie bindet die Menschen zusammen zu einer Gemeinschaft von revolutionärer Kraft. Aber diese Kraft entfaltet sich erst nach „Zündung“ der Bombe. Darauf komme ich später zu sprechen.
Mehrmals in meinem Leben habe ich ganz unmittelbar die Eucharistie als BROT DER EINHEIT erfahren dürfen.
Ich denke an eine Familie, deren Tochter aus der Kirche ausgetreten war. Sie wollte nur standesamtlich heiraten, ohne den Gang zur Kirche. Die Eltern hatten Gewissensbisse. Die Eltern und die sechs Geschwister standen vor der Frage: Dürfen wir darin unsere Tochter unterstützen, dass keine kirchliche Trauung stattfinden wird? Denn es war nur der Gang zum staatlichen Standesamt geplant. Beim Gespräch darüber haben wir gemeinsam verstanden, dass ein Mensch, der nicht glaubt, auch nicht kirchlich heiraten kann. Er kann und will nicht die neue eheliche Gemeinschaft und die künftige Familie in den Dienst Gottes stellen. Die eheliche Gemeinschaft kann in diesem Fall kein Ort der besonderen Christuspräsenz sein. Der Empfang des Ehesakramentes ist unmöglich. Was also tun? Es war klar, dass sie die Tochter nicht allein lassen durften. Da dachte ich an die Eucharistie als BROT DER EINHEIT. Darum habe ich den Eltern empfohlen, am Tag vor der Hochzeit zur Messe zu gehen und bewusst die Eucharistie zu empfangen, die Eucharistie als BROT DER EINHEIT, also in der Eucharistie eins zu werden mit Jesus und untereinander, selber durch den Empfang der Eucharistie BROT DER EINHEIT zu werden. Dann könnten sie diese Gegenwart Jesu am nächsten Tag während der Hochzeitsfeierlichkeiten ihrer Tochter und deren Bräutigam schenken, ganz einfach und schlicht in aller Liebe bei diesem Fest sein und sozusagen unsichtbar Gott dort präsent machen. In ihnen, in den Eltern der Tochter, wurde tatsächlich das BROT DER EINHEIT bei der Hochzeit der Tochter präsent; voller Freude erzählten sie mir später von dem herrlichen Fest. Zehn Jahre später, als das erste Kind aus dieser Ehe, ein Mädchen, schon zur Schule ging und seine Klassenkameraden zur Kommunion geführt wurden, wollte auch das Mädchen zur ersten hl. Kommunion gehen. Die Eltern entschlossen sich, dem Kind den Weg frei zu machen für die Taufe und die hl. Kommunion. Und dann geschah das Unerwartete, sie wollten auch ihrerseits wieder in die Kirche eintreten und ließen sich dann auch kirchlich trauen. Jetzt wollten sie selbst das Sakrament der Ehe empfangen und sein. Die Eucharistie als BROT DER EINHEIT, die am ursprünglichen Hochzeitstag nur über die Eltern vermittelt verborgen mit im Spiel war, zeigte jetzt ihre Wirkung und machte die junge Familie ganz neu.
Mit meinem Freund, dem protestantischen Pfarrer Albrecht Weber, machte ich eine Pilgerfahrt ins Heilige Land in Begleitung unserer Gemeinden. In Kafarnaum am Ufer des Sees Genezareth angelangt, sahen wir einen Altar, auf dem die Eucharistie gefeiert werden konnte. Wir waren Protestanten und Katholiken, wir konnten keine gemeinsame Messe feiern. Wir konnten einander „nur“ lieben, in tiefer Liebe, wie sie das Evangelium schenkt, verbunden sein. So habe ich dem evangelischen Freund angeboten, dass er mit seinen Gläubigen das Abendmahl feiert, während wir Katholiken mitbeten wollten. Während der Abendmahlsfeier kam plötzlich ein Sturm auf, wie er ja schon aus der Bibel für den See Genezareth bekannt ist, und drohte das Altartuch, den Kelch und die Hostien hinwegzufegen. Da haben wir Katholiken einen engen Kreis um unsere evangelischen Freunde gezogen, um das Abendmahl zu retten. Obwohl wir nicht kommunizieren konnten, erlebten wir die Einheit. Wir wurden buchstäblich Brüder und Schwestern, denn das Abendmahl tat seine Wirkung. Diese Abendmahlsfeier war tatsächlich von einer besonderen Einheit geprägt. Ich erlebte, dass auch bei unseren evangelischen Brüdern im Abendmahl das BROT DER EINHEIT gespendet wird – für mich etwas ganz Tiefes und Neues.
Eine Familie in Zürich / Schweiz kaufte regelmäßig im Supermarkt ein. Sie gehörte zu einer kleinen christlichen Gemeinschaft, in der sich Christen aus der Nachbarschaft regelmäßig trafen, um miteinander die Bibel zu lesen und ganz konkret zu verstehen, zu welchen Menschen Gott, der in der Bibel zu uns spricht, sie schicken würde. Die Hausfrau begegnete immer wieder beim Einkaufen einer indischen Frau mit vier Kindern. Man traf sich jeden Tag. Ihr fiel auf, dass die indische Frau immer trauriger und abgehärmter wurde und von Tag zu Tag müder wirkte. Im Kreis der kleinen Gemeinschaft brachte sie diese konkrete Not ein. Beim Bibellesen verstanden sie, dass sie für diese indische Frau beten und das Anliegen mit in die Feier der Eucharistie nehmen konnten. Bei der nächsten Begegnung im Supermarkt fragte die Hausfrau die indische Frau, ob sie Probleme hätte und ob sie ihr helfen könnte. Darauf sagte die indische Frau: „Meine Kinder verstehen die Sprache hier nicht gut. Sie kommen in der Schule nicht mit. Sie werden wahrscheinlich nicht versetzt.“ Die kleine christliche Gemeinschaft beschloss daraufhin beim nächsten Treffen, dieser indischen Familie zu helfen und organisierte den Nachhilfeunterricht für die Kinder. Schon nach wenigen Wochen kamen die Kinder in der Schule wieder mit - und wurden tatsächlich versetzt. Die Geschichte ging weiter: Die indische Frau kam zu dem Kreis dazu, interessierte sich langsam für das Christentum und bereitete sich auf die Taufe vor. Diese kleine christliche Gemeinschaft aus Zürich war wie ein Stück lebendige Eucharistie, wie ein BROT DER EINHEIT, das diese indische Frau und ihre Kinder berührt und mit Christus selbst in Verbindung gebracht hat.
Allen diesen Beispielen ist gemeinsam, dass von der Feier der Eucharistie eine Brücke ins Leben geschlagen wurde. Menschen, die die Eucharistie empfangen haben, werden fähig zu einer geschwisterlichen Gemeinschaft auf andere hin, auf Fremde hin. Die Eucharistie wirkt so nicht nur im Gottesdienst, sondern auch darüber hinaus in den Alltag hinein, in einen Supermarkt, ja in die Gesellschaft hinein.
Wenn die Eucharistie gläubig mitgefeiert wird, macht die Eucharistie aus den mitfeiernden Menschen ein BROT DER EINHEIT, das in andern Menschen, die es aufnehmen, eine neue Beziehung zu Gott und zu den Menschen schenkt und ermöglicht. Die Eucharistie ist BROT DER EINHEIT.
Zu Recht können wir uns fragen: Wodurch ist die Eucharistie BROT DER EINHEIT? Um das zu verstehen, möchte ich mit Ihnen wie in einer Meditation die Eucharistie ganz konkret anschauen. Ich möchte mit Ihnen darüber sprechen, dass Gott selbst in der Eucharistiefeier immer neu handelt.
In der Eucharistie geht es ja um die Versammlung der Gemeinde, um die Wandlung von Brot und Wein, um das Essen der Eucharistie, also um den Empfang des konsekrierten Brotes (und manchmal auch des konsekrierten Weines), so dass wir eine in Christus geeinte Gemeinschaft werden.
Das Entscheidende tut Gott in der Eucharistie. Der Priester und das versammelte Volk Gottes tun ihren Teil. Das Zentrale tut Gott selbst durch den Hl. Geist. Der Hl. Geist handelt an den Gestalten von Brot und Wein, er verwandelt Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Über das Brot, das auf dem Altar liegt, werden die Worte gesprochen: „Das ist mein Leib, der für euch und für viele hingegeben wird.“ Über den Kelch werden die Worte gesprochen: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird“.
Eucharistie feiern bedeutet, daran mitzuwirken, dass aus dem aus vielen Körnern gebackenen Brot etwas Neues wird – der Leib Christi. Und aus dem aus vielen Trauben gewonnenen Wein wird ebenfalls etwas Neues – das Blut Christi. Das Wort der Wandlung, das Wort Jesu, das in der Konsekration vom Priester ausgesprochen wird, tritt zum Element des Brotes und des Weines hinzu und gibt Brot und Wein eine neue Form, eine neue Wirklichkeit: Sie werden zusammen Leib und Blut Christi, Leib und Blut des Auferstandenen, Leib und Blut des Gekreuzigten, Leib und Blut des Mensch gewordenen Christus. Das kann kein Mensch vollbringen, das kann kein Priester aus sich selbst bewirken, das kann nur der Heilige Geist schaffen. Die Wandlung ist ein Werk Gottes.
Gott handelt also in der Eucharistie. Er schenkt uns ein Brot, das der Leib Christi ist. Mit diesem Brot und mit diesem Leib möchte sich Gott uns ganz zuwenden. Er schenkt sich uns. Er will von uns gegessen werden. Er dringt ein in unser Inneres. Er wird so zu sagen eins mit dem Menschen, der diesen Gott empfängt. Er nimmt diesen Menschen in sich selbst hinein, so dass dieser Mensch zum Gefäß Gottes, zum Leib Christi wird.
Tatsächlich: Hier passiert etwas ganz Besonderes. Die Speise, die der Mensch in der Eucharistie empfängt, hat eine besondere Qualität. Während normalerweise die Speise, die ein Mensch zu sich nimmt, in den Menschen verwandelt wird – also die Kartoffeln, die ich esse, werden zum Hagemann – ist die Eucharistie eine Speise, die stärker ist als ich selbst. Ich empfange eine Speise, die mich verwandelt, die mich aufnimmt und in die Einheit mit Gott befördert. Ich werde eins mit Jesus Christus, werde eins mit Ihm. Ich selbst werde Leib Christi.
So sagt schon der bekannte Theologe aus dem Mittelalter Albert der Große (+ 1280): „Jedes Mal, wenn zwei Dinge sich so vereinen, dass eins sich in das andere verwandeln muss, verwandelt das Stärkere das Schwächere in sich um. Da nun die Nahrung eine größere Kraft hat als die, die sich von ihr nähren, verwandelt sie diejenigen, die sie essen, in sich selbst. Die IHN im Sakrament empfangen haben (Joh 1,12), indem sie IHN geistig essen, werden ein Leib mit SEINEM Sohn, und so heißen sie Kinder Gottes.“
Der Kirchenvater Augustinus (+ 430) hat diese zweite Wandlung ebenfalls sehr gut ausgedrückt. Er hörte eine Stimme von oben, die ihm sagte; „Ich bin die Speise der Starken. Wachse, und du wirst von mir essen. Du wirst mich nicht in dich verwandeln wie die Nahrung des Leibes, sondern du wirst in mich umgewandelt werden.““ (beide Zitate bei Chiara Lubich, Brot und Wein, München 1977, S. 49).
Das gilt nicht nur für mich allein, es gilt für die ganze Gemeinde. Wir - ja wir! - werden zusammen Leib Christi. So können wir von einer zweiten Wandlung sprechen, die sich durch den Empfang der hl. Kommunion ereignet. Die gewandelten Gaben, Leib und Blut Christi, die die Gemeinde empfängt, verwandeln ihrerseits die Gemeinde in den Leib Christi.
Und jetzt geht es weiter. Es gibt nicht nur eine zweite Wandlung, sondern auch eine zweite Austeilung der Gaben. In der Kommunionausteilung wird das BROT DER EINHEIT an die Gläubigen ausgeteilt. Am Ende des Gottesdienstes gibt es eine zweite Austeilung: Die Christen, die den Leib Christi empfangen haben, werden ihrerseits ausgeteilt in die Welt. Wandlung geschieht zweimal und Austeilung geschieht zweimal. Die Eucharistie ist ein BROT DER EINHEIT, das zweimal ausgeteilt wird. So ist der Leib Christi auf dem Altar und in der Gemeinde, denn die Gemeinde selbst wird zum Leib Christi.
Das hat Konsequenzen: Unser Christsein, unsere Berufung als Christen, bekommt auf diesem Hintergrund eine neue Qualität. Christsein ist nicht nur ein Leben in der Nachfolge Christi, ein Leben nach dem Evangelium, Christsein ist eine Berufung zum Leib-Christi-sein, eine Berufung zum BROT-DER-EINHEIT-SEIN.
Ich denke an eine Familie, die ich als junger Pfarrer nachts aus dem Bett geholt habe. Es war zwei Uhr, als die Polizei bei mir anrief und sagte, sie hätten auf der Autobahn einen sechszehnjährigen Jungen beim Stehlen erwischt und aufgegriffen. Sie wollten den jugendlichen Ersttäter nicht sofort ins Gefängnis bringen, sondern suchten jemand, der ihn aufnehmen könne. Ich lebte damals allein und war öfter für Vorträge unterwegs. Deshalb konnte ich der Polizei nicht zusagen, dass ich den jungen Mann bei mir aufnehmen könne. Ich versprach, eine Familie für ihn zu suchen. Ich rief die Familie von Cäcilia und Josef an, die ich aus der täglichen Messe in meiner Gemeinde kannte. Ich dachte, wenn beide immer wieder die Kommunion empfangen, sind sie selbst ein BROT DER EINHEIT und damit ein Ort, wo ein junger Mensch Aufnahme finden kann. Die Mutter weckte nach meinem Anruf nachts sofort ihren Mann und die vier Kinder, um Familienrat zu halten. Nach fünf Minuten erhielt ich den positiven Bescheid. Die Polizei könne ihnen den jungen Mann bringen. Es stellte sich heraus, dass er von zu Hause weggelaufen war, weil ihn die Eltern nicht liebten. Sie wollten ihn auch nicht zurück haben. So blieb er ein Jahr bei Cäcilia und Josef und nahm eine gute Entwicklung. Die Familie hatte als BROT DER EINHEIT gewirkt.
Ein Lehrer an einer Hauptschule erlebte, dass es in den Pausen immer wieder zu Streit und Zank unter den Schülern kam. Oft musste sogar die Polizei gerufen werden. Der Lehrer fragte sich, was hier zu machen sei. Er bat eine Kollegin, ob sie sich nicht zusammen tun könnten, um dem Problem besser zu begegnen. Er dachte daran, dass sie gemeinsam Leib Christi sein könnten, der sich um die Jugendlichen auf dem Schulhof kümmert. Daraufhin trafen sie sich täglich morgens zum Gebet. Der Lehrer, der später mein Freund wurde, er hieß Berthold, nahm bewusst an der Eucharistie teil, um Kraft für die Schule zu haben. Sobald in der Pause Streit entbrannte, war Berthold mit seiner Kollegin zur Stelle. Sie schlichteten den Streit ohne dass die Polizei gerufen werden musste. Am Ende des Schuljahres bemerkte der Rektor, dass es ein besonderes Jahr gewesen sei. Die Polizei hatte nicht erscheinen müssen. Er ahnte aber nicht, woran es gelegen hatte. Berthold und seine Kollegin wussten es.
Um welche Einheit geht es beim BROT DER EINHEIT? Von wem erhalten wir eigentlich dieses Brot? Wir erhalten es vom Hl. Geist und von Jesus, der dieses Sakrament eingesetzt, gestiftet hat. Also fragen wir zunächst nach Jesus selbst. Werfen wir einen Blick auf Jesus. Jesus lebt in einer besonderen Beziehung zu dem, den er seinen Vater nennt. Jesus lebt mit seinem Vater, der unsichtbar ist. Aber alles, was er tut, seine wunderbaren Taten, tut er nur, wenn er sicher ist, dass sein Vater dies will, z.B. bei der Hochzeit zu Kana. Im Johannesevangelium lässt sich deutlich erkennen, dass zwischen Jesus und seinem Vater eine besondere Einheit besteht. Im 17. Kapitel spricht Jesus davon, dass der Vater alles in seine Hand gegeben hat. Und Jesus erklärt, dass er alles, was er vom Vater empfangen hat, an die Jünger weitergegeben hat. „Ich habe ihnen dein Wort gegeben… ich habe ihnen deinen Namen offenbart… ich habe ihnen die Liebe weitergegeben, mit der du mich liebst.“
Zwischen Jesus und seinem Vater besteht eine unglaublich tiefe Beziehung, die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Es sind die Worte, es sind die Taten, es ist die Liebe. Jesus spricht nicht nur von dieser Beziehung zum Vater, sondern lebt sie uns vor. Wenn wir genau hinsehen, erkennen wir, dass Jesus nicht eine Marionette in der Hand des Vaters ist, sondern eine eigenständige Person. So will Jesus im Ölberg nicht einfach in den Tod gehen, sondern bittet darum, dass der Kelch des Leidens an ihm vorüber gehe. Aber er bleibt dabei: „nicht wie ich will, sondern wie du willst“. Jesus ist Person, ebenso wie der Vater Person ist. Zwischen beiden besteht eine Beziehung, die ich mit dem Wort „geben und empfangen“ beschreiben möchte.
Der Vater gibt. Er schenkt dem Sohn, dass er da ist, dass er handeln kann, dass er spricht, dass er den Namen des Vaters verkündet. Jesus seinerseits ist ganz auf Empfangen eingestellt. Er empfängt sich vom Vater, er empfängt die Worte vom Vater. Indem er sich als Sohn empfängt, ist er und lebt er. Indem er sich als Sohn empfängt, tut er etwas ganz Wesentliches auf den Vater hin, er macht ihn zum Vater. Deutlicher gesagt: Er gewährt dem Vater, Vater zu sein. So schenkt der Vater dem Sohn, dass er Sohn ist. Der Sohn schenkt dem Vater, in dem er sich und sein Sohn-sein annimmt, dass der Vater Vater ist. Es ist eine Beziehung des Gebens und des Empfangens und des Seins.
Dieser tiefen gegenseitigen Beziehung zwischen Vater und Sohn verdankt sich der Heilige Geist, von ihnen wird er geschenkt, verströmt und weiter gegeben. Aus der Einheit von Vater und Sohn kann sich der Hl. Geist schenken. Wir erkennen eine dritte Handlungsweise in Gott: sich schenken.
Von Jesus her können wir die Einheit als ein Geschehen begreifen, in dem sich die unterschiedlichen Wirkungsweisen von offenen Beziehungen zeigen: sich geben, sich empfangen, sich verschenken.
DAS BROT DER EINHEIT, wenn es denn bewusst genossen wird, bewirkt beim Einzelnen und bei der Gemeinde ein Eintreten in diese Beziehungen und damit: sich geben, sich empfangen, sich schenken.
Um welche Einheit geht es also beim BROT DER EINHEIT? Es geht um eine göttliche, trinitarische, vom dreifaltigen Gott her ermöglichte Einheit. Es ist nicht eine Einheit im Sinne von Uniformität oder von Verschmelzung der Personen. Nein. Diese gottgewirkte Einheit lässt jede Person ganz sie selbst sein, befähigt sie, mit der anderen Person zu leben und in der anderen Person zu sein. Bei Jesus sprechen wir davon, dass der Sohn im Vater und der Vater im Sohn ist. Bei uns Gläubigen ereignet sich durch den Empfang des Brotes der Einheit so zu sagen ebenfalls dieses gegenseitige Innewohnen: Ich darf im Vater sein, weil ich in Jesus bin. Ich darf in Jesus sein und durch ihn im Vater.
Wenn ich dieses BROT DER EINHEIT empfange, werde ich selbst verwandelt in eine Beziehung des Empfangens und des Gebens. Wie vom Vater und vom Sohn der Geist ausgeht, also das Schenken ausgeht, geht auch von mir, wenn ich verwandelt worden bin, das Schenken aus, und ich kann mich so verschenken, wie es der Heilige Geist tut. Ich kann mich verschenken, meine Zeit, meine Güter teilen, mein Haus auf Gastfreundschaft hin öffnen, ich kann dem anderen Verzeihung gewähren und ihn als Bruder und Schwester sehen und annehmen.
Im BROT DER EINHEIT empfange ich Jesus. Er macht sich eins mit mir, indem er in mir ist. Ich mache mich eins mit ihm, indem ich in ihm bin. Er nimmt mich mit zum Vater. Er nimmt mich mit zu den Menschen. Indem ich das BROT DER EINHEIT empfange, werde ich Sohn oder Tochter Gottes und gleichzeitig Bruder oder Schwester der Menschen.
Wenn ich die Eucharistie empfange und bereit bin, mich verwandeln zu lassen, werde ich befähigt mich verschenken zu lassen, mich zu schenken, ein Bruder und eine Schwester für die Menschen zu werden und auf sie zuzugehen.
Jetzt können wir vielleicht ein wenig erahnen, warum Jesus die Eucharistie eingesetzt hat. Jesus möchte durch uns zu den Menschen kommen. Er möchte uns einbeziehen in das Werk seines Vaters und in das Tun seines Vaters. Wir erkennen, dass der gute Gott tatsächlich seinen Sohn verschenkt für das Leben der Welt. Es ist wahr, wenn wir hören: „Dies Brot ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ Was für ein Geheimnis! Welche Gnade! Welche Liebe!
Gott will nicht alleine das Gute tun, er lädt uns ein, es mit ihm zusammen zu tun. Er will durch uns handeln, durch uns wirken. Indem wir die Eucharistie feiern, empfangen wir das BROT DER EINHEIT und werden mit Jesus und damit mit dem himmlischen Vater verbunden. Gleichzeitig werden wir verwandelt und werden selbst BROT DER EINHEIT und können vom guten Gott weiter geschenkt werden an die Menschen, an die Gesellschaft, an unser Land.
BROT DER EINHEIT – das ist eine Berufung.
BROT DER EINHEIT – das ist ein Geheimnis des Lebens.
BROT DER EINHEIT – darin liegt etwas ganz Neues und Wunderbares.
Wer das BROT DER EINHEIT empfängt, wird zu einem Instrument in der Hand Gottes.
Die Eucharistiefeier zeigt sich als ein Ort, an dem Gott auf das Leben hin handelt, an uns selbst, auf die Menschen hin, auf die allgemeine und universale Geschwisterlichkeit hin.
Bevor ich zum letzten Teil meines Vortrags komme, möchte ich sie noch einmal zu einer kleinen Meditation einladen. Schauen wir einmal auf dieses schlichte Brot des Lebens und der Einheit. Wenn wir ganz still werden, können wir vielleicht einen Dialog zwischen Jesus und der Seele hören, der so klingen könnte.
Jesus sagt: „Ich bin da.“ Da schimmert etwas Göttliches durch. Schon das Wort „Ich bin“ lässt mich an jenen Gott denken, der sich am brennenden Dornbusch als der gezeigt hat, der er ist: Ich bin der Ich-bin-da.
„Ich bin…. das Brot des Lebens“. Jesus versteht sich selbst als Brot und als Speise. Er will gegessen werden, aufgenommen werden, verzehrt werden. Er möchte auf den Grund unserer Seele fallen, er möchte ganz bei uns sein.
Sein Wort „Ich bin das Brot des Lebens“ möchte uns Vielfältiges sagen. Wäre es auf einem PC zu lesen, könnte ich darauf klicken und dahinter ein neues Fenster öffnen:
Da höre ich Jesu Worte:
Ich bin da.
Ich gebe mich.
Ich biete mich dir an zum Essen.
Ich trete in dich ein.
Ich lasse mich runter auf den Grund deiner Seele.
Ich trete in dein Leben ein.
Ich teile es mit dir.
Ich frage nach deinen Sorgen.
Ich frage nach deiner Hoffnung.
Ich frage nach deinem Lebenszusammenhang.
Ich begleite dich zu den Menschen, die dir wichtig sind.
Und dann nehme ich dich mit in mein Leben,
zu meinem Vater,
zu seinem Licht,
zu seiner universellen Weite,
zu seiner Liebe und immer neuen Offenheit.
Danke, sagt meine Seele.
Ich spüre, dass du da bist.
Ich spüre deinen Herzschlag.
Ich spüre deine Dynamik.
Ich weiß mich von dir getragen.
Ich vertraue darauf, dass du mich trägst,
wo ich mich nicht mehr tragen kann.
In mir keimen die Bereitschaft und die Kraft,
mich zu geben,
mich zu verschenken,
sogar an Menschen, die dich nicht kennen
oder die nur von Ferne zu dir aufblicken
oder die sich im Dickicht des Alltags so verfangen haben,
dass sie keine Antenne mehr für das Göttliche haben.
Danke, dass du das Brot des Lebens bist.
Danke, dass ich wissen darf, wie es geht,
selber Brot des Lebens für andere zu sein.
Vielleicht gibt es auch in Ihrer Seele Worte, die noch nicht aufsteigen und noch nicht an Ihr Ohr dringen konnten? Schauen Sie auf Ihre Seele, geben Sie ihr Raum und werden Sie still, um in sich hinein zu hören.
Die erste Hilfe Jesu, die das BROT DER EINHEIT uns gewährt, kann darin liegen, uns zu helfen mit unserer eigenen Seele in Berührung zu kommen und ihre leisen Töne zu vernehmen: „Ich habe Sehnsucht. Ich möchte leben. Ich möchte das volle Leben. Ich möchte die Freiheit. Eigentlich möchte ich Alles.“
Gott respektiert unsere Freiheit, er behandelt uns nicht wie Marionetten. Deswegen ist die genuine Wirkung der Eucharistie als BROT DER EINHEIT geknüpft an unser Mittun, an unser Einverständnis, an unsere Bereitschaft. Die entscheidende Frage – und damit komme ich an einen zentralen Punkt des Vortrags – lautet: Wie werde ich, wie werden wir, wie wird der Mensch wandlungsfähig? Können wir uns darauf vorbereiten, wandlungsfähig zu sein, damit wir BROT DER EINHEIT werden?
Hierzu gibt es vier Voraussetzungen:
Durch die Taufe wird der Mensch eucharistiefähig und dadurch wandlungsfähig. Aus eigener Kraft kann kein Mensch gewandelt werden. Gott muss schon im Menschen sein. In der Taufe hat Gott den Menschen angeschaut und SEIN Leben in ihn hinein gegeben, SEINE volle Gnade, die Heilig machende Gnade. Dadurch bekommt der Mensch von Gott die Fähigkeit, überhaupt gewandelt zu werden und Christus zu werden. Aus dem alten Menschen im biblischen Sinne kann der neue Mensch werden. Dann hat Gott einen Ansatzpunkt, am Menschen weiter zu arbeiten.
Es ist wichtig, dass ich mich bereit mache, das Wort Gottes zu hören. Dass ich wirklich die Worte, die Jesus gesagt hat, an mich heranlasse und sie höre, so dass diese in mir leben, dass ich aus dem Wort Gottes lebe. Ich kann von Gott nur gewandelt werden, wenn ich in Kontakt mit Gott bin, wenn ich auf SEIN Wort höre.
Das hat die Ur-Kirche begriffen, als sie die Katechese, die Unterweisung der Taufbewerber, so ernst nahm. Niemand konnte sogleich zur Eucharistie zugelassen werden, zuerst musste ein ausführlicher Taufunterricht gegeben werden. Auch die Kinder werden heute auf die Eucharistie ausführlich vorbereitet. Es ist wichtig, dass der Mensch zuerst lernt, auf Gott zu hören.
Die Berufung zum Leib Christi, also zum BROT DER EINHEIT realisiert nicht der Einzelne für sich, sondern mit den anderen in der Gemeinde. Bei dieser Voraussetzung geht es um die Einheit mit dem Bruder und der Schwester, mit denen ich den Leib Christi bilde und zum BROT DER EINHEIT werde. Ich kann ja nicht mit jemandem zum Gottesdienst gehen und Leib des Herrn werden, wenn ich mit diesem anderen Menschen zerstritten und im Unfrieden bin. Jeder von uns hat Menschen, mit denen er nicht gut klar kommt. Die Versöhnung kann manchmal nicht auf einmal verwirklicht werden, aber sie muss in Angriff genommen werden. So wie ein Knopf allein nicht reicht, sondern immer ein Knopfloch braucht, so gehören zur Versöhnung immer zwei Seiten.
Ob der andere jetzt mit macht und seine Stunde schon gekommen ist, müssen wir dabei Gott überlassen. Aber der ernsthafte Wunsch, mit dem anderen versöhnt zu werden, ist eine Vorbedingung zur Mitfeier der Eucharistie, um BROT DER EINHEIT zu werden.
Bei der Eucharistie geht es nicht um eine statische Einheit mit Gott, sondern um eine dynamische Einheit mit IHM. Der Mensch soll so werden, wie Gott ist.
Nun gehört es zum innersten Wesen Gottes, wie wir schon gesehen haben, dass ER der Gebende ist, dass ER gibt. Gottes Wesen ist das Geben: So hat ER die Welt geschaffen, so hat ER SEINEN Sohn in die Welt hinein gegeben. Gott kommt auf den Menschen nicht mit leeren Händen zu, sondern ER gibt uns alles, was ER hat: SEINEN Sohn Jesus Christus.
Wer die Eucharistie mitfeiert, trifft auf diesen radikal gebenden Gott. Darum kann der Mensch, der BROT DER EINHEIT werden will, nicht anders als selber auf Gott mit offenen Händen und der gleichen Bereitschaft zuzugehen: Er will alles geben, was er hat. Wer sich in Gott verwandeln lassen will, lässt sich in einen Gebenden, in einen Liebenden verwandeln. In der Hl. Messe bringt der Mensch alles mit, was er ist, alles, was er hat.
So ist die Gütergemeinschaft Konsequenz und zugleich Voraussetzung für eine fruchtbare Mitfeier der Eucharistie. Ich muss mich fragen, ob ich bereit bin, für das Reich Gottes meine Zeit mitzubringen oder meine Fähigkeiten einzubringen, meine Talente, meinen Überfluss. Der Christ fühlt sich gedrängt, alles zu geben, was er übrig hat. Einer hat zwei Mäntel und braucht nur einen oder zwei Autos oder zwei Häuser. Einer hat vielleicht nur zwei Cent am Ende des Monats übrig. Von daher hat die Kollekte in der Hl. Messe durchaus ihren Platz und einen ganz tiefen Sinn. Sie hebt den Menschen, der die Kollekte versteht, auf die Ebene Gottes. Ich komme dem Herrn in der gleichen Haltung entgegen, wie ER mir entgegenkommt. So ist das Teilen und Geben eine in der menschlichen Freiheit liegende Voraussetzung, um die Eucharistie mitzufeiern.
Die vier Voraussetzungen, um Gott die Chance zu geben, dass ER mich wandeln kann, sind also: die Taufe, das Hören auf das Wort, die Versöhnung und die Gütergemeinschaft.
Diese vier Schritte finden wir in der Liturgie wieder. Wer an der Eucharistiefeier teilnimmt, muss getauft sein. In jeder Eucharistiefeier gibt es einen Bußakt der Versöhnung, die Gemeinde hört das Wort Gottes, es wird eine Kollekte gehalten.
Diese Gedanken besprachen wir einmal in einem Frauenkreis. Die Frauen verstanden noch tiefer, dass sie bei jeder Hl. Messe auch von ihrem Haushaltsgeld etwas mitbringen könnten für die Armen. Sie kamen auf den Gedanken, Sonderangebote und Billigangebote auszunutzen und das gesparte Geld in einem Kästchen, das sie bei jeder Versammlung auf den Tisch stellten, einzusammeln. Sie hatten zwar kein großes Vermögen, aber den Willen zu teilen. Wesentlich ist dabei nicht die Menge des Geldes, sondern die Haltung, so dass sogar beim Einkaufen der Gedanke an die Eucharistie eine Rolle spielt.
Das Bild der Auffahrt Christi in den Himmel enthält eine wunderbare Perspektive. Es wird offenbar, dass es zwei Welten gibt: unsere Welt, in der wir leben, und die unsichtbare Welt, in welcher der dreieine Gott für ewig und seit Ewigkeit lebt und in die er uns hinein nimmt. Diese beiden Welten kommen zusammen in Jesus Christus.
Wenn der Mensch stirbt, kommt er in diese andere Welt. In dieser Welt Gottes ist Jesus mit seinem Leib hinein genommen worden, nicht nur mit irgendeinem Stück seiner Wesenheit, sondern mit seinem Leib.
So können wir sagen: Gott hat den Leib seines Sohnes, den Leib Christi, in sein Herz genommen. Die Mitte Gottes – diese räumliche Ausdrucksweise sei erlaubt – trägt das Kostbarste, was Gott hat: Den Leib seines Sohnes, der auf der Erde war, der gestorben ist, der geschunden wurde, der alles aus sich heraus gebracht hat. Das Priestertum Christi bestand darin, dass er seinen Leib hergegeben hat: „Einen Leib hast Du mir bereitet, siehe, ich komme, Deinen Willen zu tun“. (Hebr 10,5-7) Diesen Leib hat Gott zu sich geholt.
Dasselbe kann nun auf die Menschen übertragen werden, die zum Leib Christi werden. Der Leib Jesu wurde in die Welt gegeben, auch unser Leib wird in die Welt gegeben. Der Leib Jesu wurde in den Himmel geholt, auch unser Leib kommt bei Gott an.
Wo wir mit unserem Leib in Schmerzen, in Schwierigkeiten, in Konflikten mit unserer Seele, in unserer Existenz zerrieben werden und wo uns andere Leid antun, so dass wir müde werden und krank, dürfen wir diesen Leib hinein genommen wissen im BROT DER EUCHARISTIE in den Leib Christi.
Und wenn wir sterben und begraben werden, dürfen wir glauben: Jetzt gibt Gott meinen Leib in die Erde, jetzt gibt Gott meinen Leib hin, nicht nur meinen Leib als persönlichen Leib, sondern als Leib Christi, weil ich ja mit Christus durch Taufe und Eucharistie verbunden bin. Und so wie sich an uns ereignet, dass wir wie der Leib des Herrn hinein gegeben werden in die Welt und hinein gegeben in die Erde, so erfahren wir Christen auch das Hinein-genommen-werden in den Schoß des Vaters im Himmel.
Das Ziel der Eucharistie ist die tiefe Vereinigung mit Gott, das tiefste Hineingenommensein in das Leben Gottes durch den Tod hindurch. Damit ist die Eucharistiefeier zugleich göttlich und weltlich.
Mit dem BROT DES LEBENS zum Leib Christi werden bedeutet im Schoß des Vaters zu sein und Opfer für die Welt zu werden. Das ist das Geheimnis der Dreifaltigkeit, das Geheimnis des Glaubens. Darum rufen wir nach der Wandlung: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“.
Der Vater, der den Sohn im Heiligen Geist in die Welt gegeben hat, lässt uns durch die Eucharistie an diesem göttlichen Leben Anteil nehmen.
In all dem liegt eine tiefe Sehnsucht nach echtem Leben, die wir auch bei Menschen finden können, von denen wir vielleicht meinen, dass sie Jesus nicht kennen. Eine solche tiefe Sehnsucht nach Leben begegnete mir vor zwei Jahren in einem Schuhputzer auf dem Flughafen von München. Als ich auf seinem „Thron“ saß und er mir praktisch zu Füßen kniete und die Schuhe bearbeitete, entspann sich ein tiefes Gespräch. Er, ein Moslem von der Schwarzmeerküste, entdeckte in mir den katholischen Priester, den er schon lange einmal sprechen wollte. In einem Traum war ihm Jesus begegnet. Jesus winkte ihn zu sich heran. Er durfte seinen Kopf in den Schoß von Jesus legen und vertraute ihm alle seine innere Not an und weinte und weinte. Jesus zeigte ihm einfach seine Nähe und tröstete ihn. Als er wach wurde, war sein Kopfkissen ganz nass. Was hat das zu bedeuten?, fragte er. Können Sie mir dazu etwas sagen? Ja, sagte ich. So ist Jesus. Er tröstet, er gibt das Leben, er schenkt seine Nähe dort, wo wir ihn brauchen. „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich will euch glücklich machen“. (Mt 11, 28).
Der Moslem strahlte. Er verstand, warum er getröstet war und dass dies mit Jesus zu tun hatte. Er hatte auf seine Weise die Nahrung erhalten wie sie das BROT DER EINHEIT uns gibt.
Vortrag beim Nationalen Eucharistischen Kongress in Brasilia, 14. Mai 2010