Freundschaft mit Christus -
Grundzüge einer Spiritualität für unsere Zeit

1.

Die Freundschaft, über die wir hier sprechen, ist ein Geschenk.

2.

Die innere Beziehung zu Jesus Christus ist vielen abhanden gekommen. Viele Kirchgänger lassen sich tragen von Riten, von Musik, von bestimmten Predigern, aber es ist schwer, das Kirche-Sein heute von der Tiefe her zu verstehen und sozusagen aus Eigenem Christ zu sein – das ist eben nur möglich aus der persönlichen Beziehung zu Jesus Christus.

3.

Die Kirche ob katholisch oder evangelisch befindet sich in einem ungeahnten Umbruch. Viele Mauern fallen.

Freundschaft zwischen den Kirchen.
Papst Franziskus wird auch von Nichtchristen als Sprecher der Christenheit wahrgenommen.

Kirchgang lässt nach.
Priesterseminare leer.
Klöster sterben.

Und mitten drin ein ungeahnt positiver Dialog zwischen der katholischen Kirche und den übrigen Kirchen.

Beispiele:

Gemeinsame Erklärung 1999
Vom Konflikt zur Gemeinschaft 2014
„Gemeinsame Vision der einen Kirche“ (ÖRK 2012)
Reformationsgedenken und LUND 2016
Treffen Patriarch Kyrill und Papst auf Kuba 2015
Mehrfache Besuche Papst und Patriarch Bartholomaios

Dagegen wie ein Kontrast.
Viele junge Leute verlieren den Zugang zum Glauben.
Das Gottesbild ist verdunkelt.
Christentum wird nicht als Freiheit wahrgenommen.

Und: Bei vielen schwindet das Vertrauen, dass das Leben einen Sinn haben könnte. (Gebet für einen 13jährigen).

Gibt es einen Weg?

4.

Das Christentum hat eine Quelle, aus der die Christen immer neu schöpfen können. Es ist die Bibel, die Hl. Schrift. Im Gegensatz zum Koran fiel sie nicht vom Himmel, sondern entwickelte sich aus dem Zeugnis der Glaubenden über die Boten Gottes und deren Verkündigung.

5.

Im Mittelpunkt der Schrift steht Jesus Christus, in dem die Liebe Gottes und seine Nähe allen Menschen offensteht.
Und dieser Jesus ist AUFERSTANDEN.
Und er ist GEKREUZIGT WORDEN.
Die Bibel bezeugt, welche Wirkung es hat, Ihn zum Freund zu haben.

„Ich verdanke es meiner Gemeinde in Osterholz-Scharmbeck, dass ich Jesus kennen lernte und an ihn glauben kann“ – sagte ein evangelischer Bischof bei einem Vortrag in meiner Gemeinde.

Ja, Jesus ist der Angelpunkt.
Aber es ist heute wesentlich schwerer, ihn kennen zu lernen - angesichts so vieler Sinn-Angebote. Das sind auch Eltern machtlos.

6.

Aber eins nach dem anderen.
Schauen wir in die Bibel.
Jesus spricht im 15. Kapitel des Johannes-Evangeliums ausdrücklich von der Freundschaft. Er bietet sie an. Sie ist das Innerste seines Lebens.

Jesus kommt von Gott, den er Vater nennt. Er lebt diese innige Beziehung mit dem Vater und nimmt seine Freunde mit hinein.
Wer dies erfährt, kann sich fallen lassen, findet eine ungeahnte innere Freiheit.

Hier möchte ich von Klaus Hemmerle sprechen.
Ich kann auch den zuletzt selig gesprochenen Mariannhiller Pater Engelmar Unzeitig MNN nennen, der aus der Freundschaft mit Jesus heraus im KZ Dachau so Großes tat, dass die Kirche ihn am 24.9.2016 selig gesprochen hat. Die Freundschaft mit Jesus führt in eine große Freiheit und in eine besondere Tiefe.

7.

Wer diese Freundschaft entdeckt, bekommt einen inneren Selbststand, ist verbunden, ist nicht allein, kann eine Basis der Kommunikation aufbauen mit Menschen, die gleich ihm mit Christus in Freundschaft verbunden sind. Sie befinden sich auf einmal in einem Raum persönlichen Vertrauens zum anderen, aus dem sich gemeinsames Tun und gemeinsame Ziele ergeben.

8.

Aus der gemeinsam gelebten Freundschaft mit Jesus Christus entwickelt sich ein Leben von Kirche, das sich vom Kirche-Sein, wie wir es in Religionsunterricht oder in der bisherigen Gemeinde erleben, deutlich unterscheidet. Gestatten Sie mir einen kleinen Exkurs zum Thema Kirche.

Kirche = ekklesia kyriake = Versammlung um den Auferstandenen HERRN, eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam bezeugen: Du, Jesus, bist für uns gestorben und auferstanden. Es sind Menschen, die gemeinsam die Beziehung zu Jesus suchen, ja, die erleben, dass er ihre Mitte ist.

So habe ich es beständig mit Klaus Hemmerle erfahren.

So ist es heute im Priesterhaus Paul VI. in Ottmaring, wenn wir gemeinsam auf den Tag schauen: Wo war der Auferstandene uns nahe? Wer sich auf solchen Austausch einlässt, kann erfahren, dass sein Glaube an Jesus wächst und dass Jesus ihn in seine Beziehung zu seinem Vater hineinnimmt.

9.

Die entscheidende Frage: Wie komme ich dahin?
Wo finde ich eine Spur, die mich zu Jesus hinführt. Wo finde ich ihn heute?

Ich liste einige Zugänge auf, die mir im Laufe meines Lebens zugewachsen sind. Es kann bei jedem anders sein, die Wirkungen sind aber sehr ähnlich:

  • Jesus ist im Wort der Schrift
  • Jesus lebt in mir, in meinem Innern, ich merke es an einer besonderen Art von Freude
  • Jesus lebt in der Mitte von Menschen, die sich in seinem Namen versammeln (wo 2 oder 3)
  • Jesus lebt im anderen, in der Schwester, im Bruder
  • Jesus lebt in seinen Gesandten (Priester, Diakon, Bischof, Papst)
  • Jesus lebt in geisterfüllten Menschen (Heiligen)
  • Jesus begegnet im Schmerz, in der inneren Wüste, im Nichtwissen, in der Verzweiflung (Emmaus-Jünger)
  • Jesus begegnet in der Eucharistie
  • 10.

    Was passiert, wenn ich die Beziehung zu Jesus tatsächlich suche und ernst nehme?

    Ich suche ihn, ich baue eine Beziehung auf, ich beginne ein Gespräch mit ihm, ich zeige ihm mein Leben: meine Freuden und Leiden, mein Versagen und meine Leistung.

    Ich suche die Beziehung zu anderen, die ebenfalls mit ihm auf dem Weg sind. Wir tauschen uns aus, wir halten Verbindung, wir telefonieren. Es entsteht ein Raum, ein Raum seiner Gegenwart.
    (Wort des Lebens-Gruppe in Aachen, Angela Krahn).

    Gemeinsam suchen wir zu verstehen, was zu tun ist, wie der einzelne lebt. Hier ist Diskretion und höchste Sensibilität Voraussetzung.
    Es entsteht eine oft ungeahnte Dynamik. Und die Qualität der Beziehung erkennt man daran, dass sie den anderen frei lässt. Die Echtheit der Freundschaft zu Jesus, gemeinsam gelebt, führt in eine ungeahnte Freiheit, so dass jemand sich loslassen kann, empfangen kann, mit dem anderen mitgehen kann, auch wenn er diesen nicht versteht.

    Gerade an dieser Stelle kann eine geistliche Beziehung auch scheitern.

    Aber es geht noch weiter. Es geht über den Einzelnen hinaus.
    Wie von selbst wird man zur Ökumene geführt und zum Dialog. (Pfarrer Weber) (Rashab).

    Sie kann auch einer christlichen Ehe eine ungeahnte Tiefe geben. Dies ist besonders hilfreich in konfessionsverbindenden Ehen.

    Die gemeinsam gelebte Freundschaft mit Jesus kann gesellschaftliche Räume öffnen, ja fähig machen, gerade als eine solche Gruppe offen zu sein für andere, auch mit der Konsequenz, auch mit Menschen zusammen zu arbeiten, die keinen Glauben haben oder aus einer anderen Religion leben.

    Es entwickelt sich die Kirche von unten, mit Jesus in der Mitte.
    Man spürt fast von selbst, dass ein bestimmtes Verhalten die Gegenwart Jesu fördert, ein anderes Verhalten weg von ihm führt.
    Von solchen Kirchengeschichten ist die Apostelgeschichte voll.

    Die Freundschaft mit Jesus Christus ist das A und O des Christen und der Christin von morgen.

    Akademiker-Vortrag
    Dillingen, 23. Januar 2017

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