Das Gertrudenstift in Bentlage - Haus der Freundesgemeinschaft Jesu

„Gott, der Herr, gab mir die Zunge eines Jüngers.. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet“ (Jes 50, 4-5).

So beginnt die erste Lesung des kirchlichen Stundengebetes heute am Palmsonntag.

Dieses Wort aus dem dritten Lied vom Gottesknecht des Buches Jesaja kann verdeutlichen, wofür das neue Gertrudenstift steht. Das Bistum Münster möchte hier ein Haus gründen, das den Jüngern und Jüngerinnen Jesu ausschließlich dienen soll. Hier ist ein Raum gegeben, in dem die Freundesgemeinschaft mit Jesus gelebt und eingeübt werden kann. Dafür steht dieses neue Haus.

In einer Zeit, wo vieles in der Kirche auf dem Prüfstand steht, und sogar manche Häuser und Kirchen geschlossen werden müssen, setzt unser Bischof im Jubiläumsjahr der Diözese Münster ein Zeichen, das aufhorchen lässt. Die Kirche kann auch heute wachsen, wenn unser Glaube, unsere Hoffnung und unsere konkrete Liebe gestärkt werden. Wo der Glaube wächst, wo die Liebe zunimmt, da kommt neue Hoffnung auf. Dieses Haus findet genau darin sein Ziel und sein Maß, Glauben zu wecken, das Ohr des Jüngers zu öffnen und seine Zunge zu lösen. Auf diese Glaubensgrundhaltung verweisen die neuen Seligen unseres Bistums, deren Reliquien seit heute auch in unserem neuen Altar in der Hauskapelle ruhen: Sr. Euthymia und Anna Katharina Emmerick.

Das neue Haus – es hat in seiner Architektur eine echte Ausstrahlung und lässt den Besucher und die Besucherin schon vom ersten Eindruck im Eingang ahnen, dass wir hier atmen können und leben können. Die Großzügigkeit und Weite der Eingangshalle und auch des Speisesaals, die Klarheit und Konzentration der Kapelle sowie die Ruhe und Stille gewährenden Zimmer des Hauses verweisen auf einen heute besonders aktuellen geistlichen Stil: Es geht um Sammlung und Öffnung, Stille und Anbetung, Gemeinschaft und Dialog in klarer Ausrichtung auf das biblische Wort und die gefeierte Liturgie. Dies unterstreichen die Grundfarben des Rot in der Außenverkleidung, des Schwarz des Fußbodens, der sich durch alle Bereiche des Hauses hindurch zieht, des Weiß der Wände und dies unterstreichen auch die hintereinander gestellten Kuben mit ihren großen auf Transparenz angelegten Fensterflächen.

Ein Extra-Wort muss der Kapelle gelten. Der Altar aus behauenem Eichenholz, auf den ganze Raum hin zentriert ist, und das in Kontrast dazu an der Wand im Lichtschacht hängende Stahlkreuz, das den Betrachter an den auferstandenen Christus denken lässt, finden in der Marienfigur an der rechten Wand eine wichtige Ergänzung. Diese Anna-Maria-Selbdritt konnte kürzlich vom Bistum auf einer Auktion günstig erworben werden. Es zeigte sich in der fachgerechten kunsthistorischen Untersuchung, dass es sich um ein Werk des Bentlager Meisters aus der Zeit des ausgehenden 15. Jahrhunderts handelt. Maria auf dem Schoß der Mutter Anna – der Übergang vom Alten zum Neuen Testament, Ausdruck des alten und neuen Gottesvolkes ¬– schaut direkt in die Gemeinde. Das ursprünglich in ihrer Hand befindliche Jesuskind ist ihr abhanden gekommen. Die Teilnehmenden am Gottesdienst sind auf den Christus verwiesen, der nach Mt 18, 20 in der Mitte derer präsent ist, die sich in seinem Namen versammeln. In dieser Symbolik, nicht nur in ihrer Farbigkeit gibt dieses Bild der Kapelle einen besonderen Akzent.

Das neue Haus – es hat auch eine Seele. Dies sind unsere Clemens-Schwestern, die – als kleine Kommunität – den Grundstock dieser gelebten Jüngerschaft sind. Ich freue mich sehr, dass die Generaloberin Schwester Christel und der Rat der Clemens-Schwestern diese neue Gründung im Dienste des Bistums ermöglicht haben. Auch dies ist ein wichtiges Zeichen.

Zugleich knüpfen wir damit an das frühere Gertrudenstift an, das hier mit so vielen Generationen von Clemensschwestern über 80 Jahre seinen Dienst getan hat. Ich erinnere auch an die früheren Rektoren Rosenmöller und Rupp sowie Direktor Vienenkötter, die hier den priesterlichen Dienst verrichteten, aber auch an für die Spiritualität unseres Bistums wichtige Personen wie Johannes Bours und Hans Werners.

Das neue Haus soll nun ganz im Dienst der vielen ehrenamtlichen Kräfte stehen, die den Gemeinden in den letzten Jahrzehnten zugewachsen sind. Die Katechetinnen und Katecheten, die Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände, die vielen Dienste in Gottesdienst und Gottesdienstvorbereitung, die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Caritas, in den Verbänden und in den Geistlichen Gemeinschaften: sie alle sind hier herzlich willkommen. So können und sollen von diesem Haus Impulse ausgehen, die sozusagen personalen Segen in die Gemeinden des Bistums bringen.

Hier kann paradigmatisch geschehen, was unser Hl. Vater Johannes Paul II. als Leitlinie für das dritte Jahrtausend der Kirche vorgegeben hat: „Die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft machen, darin liegt die große Herausforderung, die in dem beginnenden Jahrtausend vor uns steht, wenn wir dem Plan Gottes treu sein und auch den tief greifenden Erwartungen der Welt entsprechen wollen… Vor der Planung konkreter Initiativen gilt es, eine Spiritualität der Gemeinschaft zu fördern, indem man sie überall dort als Erziehungsprinzip herausstellt, wo man den Menschen und Christen formt.. Spiritualität der Gemeinschaft bedeutet vor allem, den Blick des Herzens auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit zu lenken, die in uns wohnt und dessen Licht auch auf dem Antlitz der Brüder und Schwestern neben uns wahrgenommen werden muss“ (Novo millennio ineunte, Nr. 43 – Schreiben vom 6.1. 2001).

Lieber Bischof Reinhard,
Du hast heute in Deiner Predigt, dem neuen Gertrudenstift die Aufgabe gestellt, „viele Menschen einzuladen, zum Herzen unseres Glaubens zu gehen“. Du hast über die erste Programmankündigung das Wort der Gertrud von Helfta gestellt: „Du wandtest mir die unschätzbare Vertrautheit deiner Freundschaft zu und botest mir zur Fülle meiner Freuden … das vergöttlichte Herz“. Ohne Deine klare Entscheidung, diesen geistlichen Akzent im Bistum zu setzen, gäbe es dieses Haus nicht. Dir gilt darum heute der erste Dank.

Danken möchte ich sodann allen, die sich in den letzten beiden Jahren und besonders in den letzten Monaten um das Entstehen dieses Hauses durch Bereitstellung der Finanzen, die Planung und Durchführung des großen Baus und durch die innere Gestaltung bis ins einzelne unermüdlich eingesetzt haben, ich nenne besonders Generalvikar Kleyboldt und Dompropst Alfers und Domvikar Sühling für die Hauptabteilung Seelsorge.

Besonderen Dank sagen möchte ich heute dem Architekten Herrn Ellermann und dem Diözesanbaudirektor Herrn Wendel mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Verantwortlichen im Bischöflichen Generalvikariat Herrn Garthe, Frau Olerink und Herrn Siemer.

Ganz besonders danke ich Herrn Diercks, dem Hausmeister, der in unermüdlicher Weise alles ihm Mögliche in diesen letzten Wochen geleistet hat.

Herzlicher Dank auch den Domessdienern und –dienerinnen. Das war einfach fein, dass Ihr Euch heute Nachmittag frei gemacht habt für ein wichtiges Anliegen des Bistums. Ihr vertretet heute hier die junge Kirche. Darum lade ich Euch besonders ein, dieses Haus für eine geistliche Zeit zu nutzen.

Nun lade ich alle ein, sich an dem der Fastenzeit angemessenen kleinen Imbiss zu stärken.

Eröffnungsrede am Palmsonntag, 20.3.2005

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