Klaus Hemmerle – Zeuge der Einheit

GLIEDERUNG

1. Kurzporträt von Klaus Hemmerle
2. Der Philosoph Klaus Hemmerle
3. Die persönliche Suche von Klaus Hemmerle
4. Begegnung mit dem Fokolar
5. Die Theologe Klaus Hemmerle
6. Leben aus dem Wort bei Klaus Hemmerle
7. Begegnung mit den Juden

Eingerückte Texte sind Zitate aus meinem im Echter-Verlag eschienenen Buch „Verliebt in Gottes Wort. Leben, Denken und Wirken von Klaus Hemmerle, Bischof von Aachen“, Würzburg 2008.
Kursive Passagen sind direkte Zitate von Klaus Hemmerle.

1. Kurzporträt von Klaus Hemmerle

Chiara Lubich, Gründerin der Fokolar-Bewegung (1920 - 2008) sprach gerne davon, dass es Personen gab, die sie als Mitbegründer der Fokolar-Bewegung empfand. Diese hatten wichtige Impulse gesetzt oder Entwicklungen begleitet, die heute konstitutiv zum Profil der Fokolar-Bewegung gehören. Neben dem Politiker und Publizisten Igino Giordano (1896 -1981) und dem Theologen Pasquale Foresi (geb. 1939) zählt Bischof Klaus Hemmerle zu dieser Gruppe.

Klaus Hemmerle (geb. 1929 in Freiburg, Priesterweihe 1952, Bischofsweihe 1975 in Aachen, gest. 1994 in Aachen) wirkte als Professor für Fundamentaltheologie in Bochum (1970 bis1973), als Professor für Christliche Religionsphilosophie in Freiburg (1973 bis1975) und als Diözesanbischof in Aachen (1975 bis 1994). Als Geistlicher Direktor des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (1968 bis 1973) gründete er den (theologischen) Gesprächskreis Juden und Christen beim ZdK.

In seiner wissenschaftlichen Arbeit gelang es ihm, die Ansätze der modernen Philosophie, besonders des Deutschen Idealismus, der Phänomenologie Husserls und der Philosophie Heideggers, für das theologische Denken und Sprechen zu nutzen und fand so zu einer verständlichen Sprache des Glaubens, die besonders Menschen, die den Kirchen fern stehen, erreicht. Er vermochte neue Wege zu einer christlichen Spiritualität zu erschließen, die geistliche Tiefe mit dialogischer Offenheit verbindet. Auf diesem Hintergrund hat er als Bischof eine Pastoral und Seelsorge entwickelt und selber gelebt, die in Gespräch und Verkündigung gerade auch junge Menschen ansprach und anspricht.

Sein ganz spezifischer Beitrag zur Fokolar-Bewegung hatte zwei Schwerpunkte: Er gab zum einen den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung einer eigenen Theologie und nahm regelmäßig an den Sitzungen des durch ihn mitbegründeten Studienzentrums „Schule Abba“ teil. Zum anderen initiierte er – seinem bischöflichen Leitspruch gemäß „alle eins – damit die Welt glaubt“ – eine weltweite ökumenische Weggemeinschaft mit Bischöfen unterschiedlicher Nationalitäten und Konfessionen und begleitete sie bis zu seinem Tod.

So sehr er die Fokolar-Bewegung befruchtete, so sehr lebte er selbst aus der Quelle des Charismas der Einheit, das er in Chiara Lubich kennen gelernt hatte. „Chiara Lubich hat uns in eine Schule des Lebens genommen“, berichtete Klaus Hemmerle in einem Interview über seine Begegnung mit der Fokolar-Bewegung. „Aber diese Lebensschule ist zugleich eine Schule für die Theologie. Das Ergebnis ist nicht eine Verbesserung der Theologie, sondern gelebte Theologie aus dem Ursprung der Offenbarung.“

Kurz nach seinem Tod äußerte Chiara Lubich in einem Interview für die Zeitschrift DAS PRISMA: „In erster Linie - so würde ich sagen – war es seine außerordentliche Lauterkeit und die Einfachheit seines Herzens, die ihn zu einem echten „Kind des Evangeliums” werden ließen. Er verstand es, in echter Demut mit allen Mitgliedern der „Schule Abbà“ zu kommunizieren. In einem gegenseitigen Geben und Nehmen brachte er seine reiche wissenschaftliche Bildung ein und ließ sich gleichzeitig von der jeweiligen Fachkompetenz der anderen beschenken.“

siehe auch: www.fokolar-bewegung.de

2. Der Philosoph Klaus Hemmerle

1.1. Sich Fallenlassen ins Bodenlose

(Seiten 37 - 38)

1.2. Das lassende Denken

Schon in seiner frühen Schrift, die er noch als Habilitand bei Prof. Welte in Freiburg zusammen mit dessen beiden gleichzeitig ausgebildeten Meisterschülern, den heutigen Professoren Dr. Bernhard Casper und Dr. Peter Hünermann, veröffentlichte, zeigt er einen Denk- und Lebensweg auf. Wie können wir das Heilige, den Heiligen denken? Für ihn wird im Verlauf seines Nachdenkens eine Unterscheidung besonders wichtig, nämlich die zwischen einem fassenden und lassenden Denken.

Das fassende Denken bemächtigt sich des zu denkenden Gegenstandes, fasst ihn in seine Begriffe und ist in Gefahr, den Gegenstand zu zerdrücken. Der Gegenstand kann sich möglicherweise nicht zeigen wie er ist. Das lassende Denken öffnet sich für den Gegenstand, für den Andern, für Gott und lässt diesen auf sich zukommen in immer neuen Überraschungen und An-Sichten. So kann sich auch ein zunächst fremder Gott einem Menschen zeigen. So kann es diesem Menschen möglich werden, sich seinerseits diesem Gott zu zeigen und sich auf ihn einzulassen. Dieses lassende Denken ist von vorneherein existentiell und für eine immer neue Begegnung offen.

Denken und Begegnung gehören hier zusammen. Wo dies geschieht, ereignet sich ein Drittes: Der Mensch kommt vom fassenden Denken zum lassenden Denken und schließlich zum sich verdankenden Denken. Er erkennt, dass der Heilige, der ihm im Denken begegnet, jener ist, in dem der Mensch selbst seinen Ursprung hat.

Bei unserer heutigen Begegnung gilt es darauf zu achten, dass wir uns immer dieses hemmerleschen Denkstils bewusst sind und in diesem Sinne uns auf das Denken Hemmerles, das von vorneherein ein Leben ist, einlassen. Es wird immer wieder darauf ankommen, dass wir die Gedanken von Hemmerle zunächst mit vollziehen, um sie dann gemeinsam anzuschauen und zu verstehen.

1.3. Die Mehrursprünglichkeit des Menschen

Eine Lieblingsformulierung von Klaus Hemmerle heißt: wie geht das? Glauben, wie geht das? Lieben, wie geht das? Spielen, wie geht das? Dreifaltig leben, wie geht das? Er stellt Fragen und schaut hin. Er nimmt Fragen an, er nimmt Fragen auf, er öffnet sich jeder Fragestellung genauso, wie er es bei seinem Lehrer Welte gelernt hat.

Da wird für ihn das weltbekannte Bild der Erschaffung Adams in der Sixtinischen Kapelle Roms zur Brücke einer tieferen Gewissheit. Wiederum bedient er sich der Methode der Phänomenologie: Er schaut hin. Ihm fällt auf, wie Michelangelo - von der bisherigen Tradition abweichend - die abgebildeten Gestalten angeordnet hat. Adam ist in der linken Bildhälfte, der Schöpfergott, der in seinem Gewandbausch schon Eva ‚bereithält’, ist auf der rechten Bildhälfte zu sehen. Folgt man der abendländischen Leseordnung – wir lesen ja von links nach rechts anders als die Hebräer -, dann erscheint der Schöpfergott an zweiter Stelle nach Adam. Würde hier der Vorgang der Erschaffung Adams in reiner Kausalität dargestellt, dann müsste der Schöpfergott – wie oft in der Buchmalerei des Mittelalters – links von Adam sein.

Nun aber ist der Schöpfergott auf der rechten Seite, Adam gegenüber, die Zukunft von Adam. Es kommt zu einer Mehr-Kausalität oder – wie Klaus Hemmerle mit dem von ihm verehrten und geschätzten früheren Würzburger Philosophen Heinrich Rombach gerne sagte – ‚Mehrursprünglichkeit’. Gott hat also den Menschen nicht nur einmal geschaffen, am Anfang, sondern er erschafft und er bildet und formt den Menschen heute, im Jetzt. Gott, der Schöpfer ist die Zukunft des Menschen. Das heißt für Klaus Hemmerle: Der dreifaltige Gott – es gibt keinen anderen – erschafft und bildet und formt heute den Menschen.

Die Stelle, an der Gott den Menschen neu schafft, ist genau dort, wo der Mensch in absoluter Aporie vor seinem eigenen Abgrund, vor seinem Nichts, vor seinem Out steht. Hier will ihn der Finger Gottes berühren. Zentrales Vorbild und gleichzeitig zentrale Verheißung für dieses ständige Neu-Schaffen des Menschen ist für Klaus Hemmerle der Kreuzestod und die Auferstehung Jesu Christi. Sie ist in der Geschichte geschehen und übersteigt sie gleichzeitig. Das Neu-Schaffen des Menschen hat seinen Ursprung sowohl auf unserer Erde und in unserer Zeitlichkeit als auch im Schaffensakt des dreifaltigen Gottes. Es führt gleichzeitig über dieses Universum und die Jetzt-Zeit hinaus in eine neue Dimension des Seins.

3. Die persönliche Suche von Klaus Hemmerle

(Seite 43)

(Seiten 80 - 81)

4. Begegnung mit dem Fokolar

(Seite 49)

5. Die Theologe Klaus Hemmerle

Der ganz und gar neue Gott

Als Theologe könnte man fragen: „Ist das wirklich der Höhepunkt des Leidens Jesu?“ Mit dieser Frage habe ich mich oft auseinander gesetzt und bin zu dem Schluss gekommen, sie leidenschaftlich mit Ja zu beantworten. Ich will den Grund nur andeuten. Dass Gott in Jesus dorthin geht, wo Gott gerade nicht mehr ist, dass Gott sich in Jesus die Abwesenheit Gottes bei den Menschen zu eigen macht, dass seine Liebe bis dahin geht, dass er, um mit Paulus zu sprechen, für uns zur „Sünde“ und zum „Fluch“ wird (Gal 3,12; 2 Kor 5,21) – dies ist die Neuigkeit schlechthin der Gotteserfahrung Chiaras. Es ist tatsächlich keine größere Verrücktheit der Liebe denkbar, als die Ferne von Gott zu teilen und mit zu leben aus Liebe zu denen, die ihm fern sind – und wenn es aus eigener Schuld wäre. Das geht weit hinaus über eine Theologie, die nur von Wahrheiten und Geboten handelt. Davon will ich nichts wegnehmen. Aber hier ist etwas anderes: Es ist der ganz und gar neue Gott. Deshalb gibt es für Chiara und die Ihren nach dieser Entdeckung nichts Wichtigeres, als das beständige Suchen dieses schmerzerfüllten Antlitzes.

In jedem Schmerz in uns und außer uns, jeder Gottesdunkelheit in uns und außer uns, jedem Nichtverstehen Gottes, jedem Fremdsein diesem Gott gegenüber begegnen wir deshalb dem, der uns in seiner Verlassenheit ganz und gar angenommen hat. Wenn wir uns darauf mit unserem ganzen Leben einlassen, dann haben wir die größtmöglichste und abgründigste Gotteserfahrung überhaupt. Sie ist nicht steigerbar. Das ist keine Gedankenkonstruktion. Das erfahre ich nur, wenn ich mich andauernd in diese Realität hineinziehen lasse. So entdecke ich den „Deus semper maior“, den Gott, der immer größer ist. Nur wenn ich Jesus in seiner Gottverlassenheit erfahre und erkenne, kann ich mich auch radikal an diesen Gott ausliefern und seine Zuneigung zu den Menschen und zur Welt teilen. Wenn ich in diesen Abgrund der Gottverlassenheit hinein das „Abba, Vater“ nachspreche, habe ich das Letzte erreicht. Wenn ich in diese Abwesenheit Gottes hinein gehe, sie aushalte ohne jede Absicherung, mich Gott restlos ausliefere, dann ist die Herrschaft Gottes da. An diesem Punkt haben wir, glaube ich, all die Realitäten eingeholt, die uns als Seligkeit, Wunder, Geschenk begegnet sind. Zugleich werden wir zu jenen, die in den Abgrund Gottes und der Menschheit hinein gegeben sind, die mit Jesus zu jedem Menschen sagen können: „Ich stehe zu dir und trage deine Last.“

Ich sehe in dieser Entdeckung Chiara Lubichs ein Geschenk nicht nur für alle, die als Christen leben wollen, sondern auch für die Theologie. Meines Wissens hat nirgendwo die Einheit aller Glaubenden, die in den johanneischen Abschiedsreden zum Ausdruck kommt, und gleichsam die Zusammenfassung all dessen ist, was Gott von uns will, eine solche Tiefe und Radikalität erreicht wie bei ihr. Aber diese Einheit enthält in sich sowohl das Leben der Dreifaltigkeit als auch die Gottverlassenheit Jesu. Damit ist ein Horizont aufgerissen, den wir auch in der Theologie so nicht gekannt haben, obwohl selbstverständlich auch früher schon Theologen über den einen oder anderen Aspekt dieses Zusammenhangs nachgedacht haben.

Das ist das Interessanteste: Chiara Lubich hat uns in eine Schule des Lebens genommen, aber diese Lebensschule ist zugleich eine Schule für die Theologie. Das Ergebnis ist nicht eine Verbesserung der Theologie, sondern gelebte Theologie aus dem Ursprung der Offenbarung.

(Aus: Interview für DAS PRISMA, 1/1994)

6. Leben aus dem Wort bei Klaus Hemmerle

(Seiten 165 – 166)

(Seiten 110 - 111)

7. Begegnung mit den Juden

(Seite 154 – 155)

(Seiten 158 – 159)

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(1) Wort und Wahrheit. Martin Heidegger. 1948, in: Bernhard Welte und Martin Heidegger. Zur Stellung Bernhard Weltes im christl. Denken des 20. Jahrhunderts. Bernhard Casper, in: Fragend und Lehrend den Glauben weit machen. Zum Werk Bernhard Weltes anlässlich seines 80. Geburtstags. Klaus Hemmerle (Hrsg). Freiburg (Kath. Akademie) 1987, S. 13-14

(2) non solum a parte objecti sed a parte intellectus = nicht nur von Seiten des Objekts, sondern auch von Seiten des denkenden Subjekts

(3) „Bernhard Welte und Martin Heidegger“. Zur Stellung Bernhard Weltes im christlichen Denken des 20. Jahrhunderts. ..., S. 22

(4) Klaus Hemmerle erzählt von seiner Berufung auf der Mariapoli (Sommertreffen der Fokolar-Bewegung) in Oudenbosch/Holland. 1969 (unveröff.)

(5) Ebd.

(6) Klaus Hemmerle 1988 vor einem internationalen Kreis von Theologiestudenten auf einem Kongress der Fokolar-Bewegung in Castelgandolfo (unveröff.)

(7) „Die Gotteserfahrung von Chiara Lubich“, in: Das Prisma 1/1994, S. 17-19

(8) Leben aus der Einheit. Eine theologische Herausforderung. Peter Blättler (Hg.). Freiburg (Herder), S. 36-37

(9) Nur handschriftlich überliefert und unvollständig.

(10) „Haben Sie auch mal Ferien, Herr Bischof“, in: Weite Welt, 12/1991, S. 30

(11) Judentum und Christentum nach Franz Rosenzweig. Ein Gespräch zwischen Emmanuel Levinas, Klaus Hemmerle, Hans Hermann Henrix, Bernhard Casper, Heinz-Jürgen Görtz und Herman J. Heering, in: Zeitgewinn. Messianisches Denken nach Franz Rosenzweig. G. Fuchs, H.H.Henrix (Hg.), Frankfurt, 163-183; jetzt in: AS Band.5, S. 169

(12) Judentum und Christentum nach Franz Rosenzweig, S. 169

(13) Ansprache von Klaus Hemmerle im Aachener Rathaus am 9.11.1888; jetzt in: Ausgewählte Schriften, Bd. 5, S. 169

Vortrag im Zentrum Frieden in Solingen, April 2009

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