Kirche und Gemeinschaft - die theologischen Grundlagen
Ich habe mich gefragt, wo ich Kirche als Gemeinschaft erfahren habe. Ich möchte dies an vier Beispielen exemplifizieren.
Ich denke an das große Gefängnis Berlin-Tegel. Dort saßen 1944 / 1945 in der Zeit des Nationalsozialismus der katholische Priester und Jesuit Alfred Delp und der evangelische Pastor Dietrich Bonhoeffer gemeinsam ein und warteten auf ihre endgültige Verurteilung und Hinrichtung. Sie hatten sich kennen gelernt im so genannten Kreisauer Kreis, der im Untergrund gegen Hitler kämpfte und arbeitete. Sie hatten sich nicht nur kennen gelernt, sie hatten sich schätzen gelernt und einander als Christen in der Tiefe erfahren. Dies hatte tiefe geistliche Konsequenzen. Wenn Alfred Delp, der Brot und Wein in sein Gefängnis hinein geschmuggelt bekam, die heilige Messe feierte, schlug er mit dem Löffel auf die Heizungsrohre, so dass sein Zellennachbar Dietrich Bonhoeffer informiert war und im Geist die heilige Messe mitfeierte. Zwei Männer geeint in Jesus Christus, zwei Männer der Kirche und in Kirche.
1974 fuhr ich mit zwei katholischen Theologiestudenten von Westdeutschland nach Ostdeutschland, unser Ziel war die Leipziger Industriemesse. Der Besuch der Leipziger Messe war die einzige Möglichkeit, ohne Sondererlaubnisse in die DDR einreisen zu können. An der Grenze wurde ich aufgehalten, der Volkspolizist fragte mich, wie viele Gäste in meinem Auto seien. Als ich ihm sagte, dass wir zu viert an Bord sind, antwortete er, dass er nur drei Menschen sähe. Aber er erinnere sich an ein Jesuswort „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“.. Ich antwortete ihm daraufhin, dass ich dieses Jesuswort kenne und daran fest glauben würde und dass ich deswegen ehrlich sagen könnte, obwohl nur drei Menschen an Bord sein, seien wir in Wirklichkeit vier, weil Jesus unter uns sei. Ich fragte ihn noch, woher er dieses Wort kenne. Er antwortete, dass er in der Zeit des Nationalsozialismus als Kommunist verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden sei. Das einzige Buch, dass er habe lesen können, sei die Bibel gewesen. Dort habe er dieses Jesuswort gefunden und sich gedacht: Das ist doch interessant, dass auch die Christen ein Kollektiv kennen. Und dann fragte er: „Nehmen Sie diesen Jesus mit in den Osten?“ Ich darauf: „Den können Sie nicht aufhalten! Der geht auch in die DDR mit“. Als wir drei Tage später auf der anderen Straßenseite bei der Rückfahrt wieder in der Kontrolle standen, entdeckte dieser Volkspolizist mein Auto und rannte auf mich zu mit der ganz spontanen Frage: „Ist Er noch da?“
Das war wieder solch ein Moment von Kirche. Wir drei im gleichen Auto, vereint im Glauben, ein Ort der Gegenwart des Herrn. Das ist für mich Kirche. Sie zeigte sich zugleich so offen, dass auch der Kommunist Eingang fand.
1993 bin ich mit katholischen und jüdischen Freunden nach Auschwitz gepilgert. Ich war damals Geschäftsführer eines christlichen-jüdischen Gesprächskreises auf Bundesebene in Deutschland. Führende Juden nahmen an diesem Gesprächskreis teil, der sich als Ziel gesetzt hatte, Judentum und Christentum theologisch anzuschauen und zu verstehen. Es kam zu einem sehr kostbaren Erfahrungsaustausch über den christlichen und jüdischen Glauben. In Auschwitz besuchten wir das ehemalige Konzentrationslager. Ein führender Jude, der uns begleitete, hatte in Auschwitz seine Mutter verloren. Er lebte noch 1943 in Berlin. Als er damals abends nach Hause kam, war seine Mutter von der Gestapo abgeholt worden. Die Nachbarn rieten ihm, sofort zu fliehen. Er konnte sich retten, weil ein Katholik ihn aufgenommen hat mit der Bemerkung: „Ich muss meinem Herrn Jesus Christus gehorchen, der mir geboten hat, den Nächsten auf jeden Fall immer zu lieben“ Mit diesem Juden zogen wir gemeinsam über das riesengroße Gelände im Auschwitz-Birkenau. Unter dem Rasen war die Asche von 1.000.000 ermordeten Juden. Als wir ungefähr eine Stunde eingehakt hin und her gegangen waren, löste sich bei unseren jüdischen Freunden die furchtbare Spannung, so dass sie spontan den Wunsch äußerten, an dieser Stelle zu beten. Im Anschluss daran schlug ich vor, nach Tschenstochau zu fahren, dem polnischen Marienwallfahrtsort. Ich sagte meinen jüdischen Freunden, dass ich den Wunsch hätte in diesem Heiligtum die heilige Eucharistie zu feiern und forderte sie auf, in dieser Zeit spazieren zu gehen. Diese antworteten jedoch: „Sie haben mit uns Auschwitz betreten und den Ort „durch gestanden“, jetzt wollen wir auch mit Ihnen an Ihrem Ort, am Marienwallfahrtsort sein, und mit Ihnen die Messe feiern.“ Als Evangelium nahm ich den wichtigen Text des Stammbaums Jesu aus dem Matthäus-Evangelium, wo durch die Aneinanderreihung von 42 Generationen gezeigt werden soll, dass Jesus aus dem jüdischen Volk stammt. Meine jüdischen Freunde waren zu Tränen gerührt und begriffen noch einmal ganz elementar: Jesus war ein Jude.
Ich habe an dieser Stelle mich als Kirche gefühlt, zusammen mit meinen katholischen Freunden. Unser Kirche-Sein, gab uns die Kraft unsere jüdischen Freunde anzunehmen und diese aufzunehmen in unsere Gemeinschaft. Auch das ist Kirche, sie öffnet sich für den Anderen.
Mein letztes Erlebnis des Kircheseins und des Gemeinschaftsseins als Kirche, erlebte ich letzten Sonntag in Aachen. Ich war im Aachener Dom, um am Jahresamt für meinen verstorbenen Freund Bischof Klaus Hemmerle teilzunehmen. Nach dem Gottesdienst traf ich dessen ehemalige 80 Jahre alt gewordene Haushälterin. Sie war sehr gebrechlich und freute sich sehr, dass ich sie nach Hause in ihr Altenheim begleitete. Diese alte Dame fragte mich ganz persönlich, ob ich ihr erklären könne, wie man Jesus im Mitmenschen begegnen könne. Damit habe sie immer wieder Schwierigkeiten. Ich erklärte ihr, dass Jesus grundsätzlich für jeden Menschen am Kreuz sein Leben gegeben habe und dass er gesagt habe, wenn ich am Kreuz erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen. Und verwies weiterhin darauf, dass im Evangelium des gerade kommenden Sonntags Jesus von Johannes dem Täufer als Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt, tituliert wird. Also auch dann, wenn ich einem Menschen begegne, der komisch ist, selber Fehler hat, vielleicht sogar als Sünder mir vorkommt, darf ich daran glauben, das Jesus dessen Sünde und Eigenart trägt. ER steht sozusagen unter diesen Menschen oder hinter diesen Menschen. Und das ist eine Brücke. Daraufhin erzählte mir die alte Dame ein kleines Erlebnis: Immer wenn sie aus ihrem Fenster schaue, sehe sie auf der gegenüber liegenden Seite der Straße eine Wohnung mit einem offensichtlich selbst gebastelten Segelschiff, das etwa ein Meter lang sei und dessen Mast mindestens einen Meter hoch sei. Immer wieder habe ich sie den Wunsch gehabt, die gegenüberliegende Person kennen zu lernen. In den letzten Tagen habe sie öfters aus dem Fenster geschaut und dieser Person ein entsprechendendes Zeichen gegeben, bis dieser sie schließlich einlud, sie doch zu besuchen. Und so habe sich eine neue tiefe Beziehung zu diesem Menschen von gegenüber entwickelt.
Auch hier kam mir in den Sinn, dass Kirche sein im Alltag beginnt. Auch ältere Menschen sind durchaus fähig und in der Lage neue Schritte auf den Anderen zuzumachen.
Die Beispiele zeigen mir einige der Grundlagen, von denen aus wir die Kirche als Gemeinschaft bezeichnen können.
Das Wort Kirche hängt mit Jesus Christus zusammen. Kirche kommt von dem griechischen Wort "kyrios" und bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die auf den Kyrios Jesus Christus ausgerichtet sind. Im Hintergrund steht die Tatsache, dass der auferstangene Christus Menschen, auch die Apostel, neu gesammelt und versammelt hat. Kirche, das sind Menschen, die auf den Herrn ausgerichtet sind, es ist eine "Herren-Versammlung". Dahinter stehen die beiden griechischen Worte „ekklesia" und "kyriake“. Die Wirklichkeit von Kirche spiegelt sich auch in den Worten bei Mt 28,20: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ oder in dem schon erwähnten Wort aus dem Mt 18,20: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, dann bin ich mitten unter ihnen“. Die Kirche ist eine Gemeinschaft, in deren Mitte Jesus Christus steht. Dieser Christus ist auferstanden, er ist voller Energie und Liebe, er ist nicht untätig unter uns, sondern er verwandelt diese Gruppe und haucht ihr sein eigenes göttliches Leben ein. Die erste Wirkung des göttlichen Lebens in dieser Gruppe von Kirche ist das Erlebnis der Geschwisterlichkeit. Wir erfahren, dass wir zusammengehören, dass wir Bruder und Schwester sind, dass wir Geschwister sind, weil wir nur einen Vater haben, weil wir eben von Gott herkommen. Diese Geschwisterlichkeit ist grundsätzlich offen auf jeden Menschen hin. Und das führt immer wieder zu einem Dialog, zur Nächstenliebe, zur karitativen und sozialen Tat. Fast von selbst verändert sich um aufrichtige Christen herum das Klima, das Ambiente, die Menschen. So wird eine kleine Kirche erlebt, die neue Gemeinschaft stiftet. Johannes Paul II. sprach ganz ausdrücklich davon, dass die Kirche eine Schule der Gemeinschaft sein soll. In seinem Schreiben „Novo millenio ineunte“ beschreibt er in großartiger Weise die einzelnen Fassetten dieser Art von Gemeinschaft, die unsere Mitmenschen in der Kirche lernen und aufnehmen können:
"Die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft machen, darin liegt die große Herausforderung, die in dem beginnenden Jahrtausend vor uns steht, wenn wir dem Plan Gottes treu sein und auch den tiefgreifenden Erwartungen der Welt entsprechen wollen. Was bedeutet das konkret? Auch hier könnte die Rede sofort praktisch werden, doch es wäre falsch, einem solchen Anstoß nachzugeben. Vor der Planung konkreter Initiativen gilt es, eine Spiritualität der Gemeinschaft zu fördern, indem man sie überall dort als Erziehungsprinzip herausstellt, wo man den Menschen und Christen formt, wo man die geweihten Amtsträger, die Ordensleute und die Mitarbeiter in der Seelsorge ausbildet, wo man die Familien und Gemeinden aufbaut. Spiritualität der Gemeinschaft bedeutet vor allem, den Blick des Herzens auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit zu lenken, das in uns wohnt und dessen Licht auch auf dem Angesicht der Brüder und Schwestern neben uns wahrgenommen werden muss. Spiritualität der Gemeinschaft bedeutet zudem die Fähigkeit, den Bruder und die Schwester im Glauben in der tiefen Einheit des mystischen Leibes zu erkennen, d. h. es geht um „einen, der zu mir gehört“, damit ich seine Freuden und seine Leiden teilen, seine Wünsche erahnen und mich seiner Bedürfnisse annehmen und ihm schließlich echte, tiefe Freundschaft anbieten kann. Spiritualität der Gemeinschaft ist auch die Fähigkeit, vor allem das Positive im anderen zu sehen, um es als Gottesgeschenk anzunehmen und zu schätzen: nicht nur ein Geschenk für den anderen, der es direkt empfangen hat, sondern auch ein „Geschenk für mich“. Spiritualität der Gemeinschaft heißt schließlich, dem Bruder „Platz machen“ können, indem „einer des anderen Last trägt“ (Gal 6,2) und den egoistischen Versuchungen widersteht, die uns dauernd bedrohen und Rivalität, Karrierismus, Misstrauen und Eifersüchteleien erzeugen. Machen wir uns keine Illusionen: Ohne diesen geistlichen Weg würden die äußeren Mittel der Gemeinschaft recht wenig nützen. Sie würden zu seelenlosen Apparaten werden, eher Masken der Gemeinschaft als Möglichkeiten, dass diese sich ausdrücken und wachsen kann."
Theologisch möchte ich bei dem Stichwort Gemeinschaft mehrere Ebenen unterscheiden.
Die Ebene 1 ist die Gemeinschaft in Gott selbst. Wir Christen glauben an den einen Gott in drei Personen. Diese göttlichen Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, sind in tiefster Weise aufeinander bezogen, so dass man sagen kann, die eine göttliche Person ist für die andere ganz da und umgekehrt. Der Vater liebt den Sohn, der Sohn liebt den Vater und aus dieser gegenseitigen Liebe entspringt als Frucht der Heilige Geist. Die Beziehungen in Gott sind Beziehungen des Gebens, des Empfangenes und des Schenkens. Mit diesen drei Worten könnte man die Person des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes beschreiben. Durch den Geist Gottes entspringt diese Gemeinschaft, die wir in Gott finden, auf die Menschen über. Dies geschieht in der Menschwerdung Jesu Christi.
Die Menschwerdung Jesus, Jesus, der Sohn Gottes, das ist die Ebene 2 der kirchlichen Gemeinschaft. In Jesus sehen wir fast buchstäblich seine Beziehung zum Vater, sein immer neues Sich-Empfangen vom Vater, bis zu seiner Verlassenheit am Kreuz in seinem Tod. Die Ebene 2 dieser Gemeinschaft reicht bis in das Nichts, bis in die tiefsten Tiefen des Menschseins, bis in den Schmerz. Von dieser zweiten Ebene der Gemeinschaft führt ein direkter Weg zur Ebene 3: Das sind die Jünger, die Apostel, die Christen, die Jesus der Auferstandene durch seinen Tod und nach seinem Tod gesammelt hat. In dieser Ebene 3 gibt es eine Gemeinschaft von Menschen, in deren Mitte der Auferstandene lebt. In dieser Tiefe dürfen wir Kirche und Gemeinschaft verstehen. Sie ist geprägt von einem inneren Feuer, von einer abgrundtiefen Liebe, die von Gott her in die Mitte von Menschen strömt.
Wo diese Liebe echt gelebt wird, entwickelt sich die Ebene 4, es ist die Ebene des Dialogs, des Sauerteigs und der Freundschaft. So entwickelt sich aus der Kirche heraus eine Tür, ein Tor, das offen ist für jeden Menschen, der eintreten würde. Diesem Dialog kommt heute eine ungeheure Bedeutung zu.
Dieser Dialog ist mehr als reines Sprechen. Er ist Begegnung, er meint ein grundsätzliches füreinander Dasein, er teilt selbst das Innerste Gottes (Joh 17,10) mit und empfängt vom Anderen ebenfalls das Innerste. So können wir auch mit Nicht-Glaubenden in ein positives Gespräch eintreten, weil auch die Nicht-Glaubenden uns sehr viel zu geben haben. Kirche, die Gemeinschaft ist, wird in diesen vier Ebenen ihr theologisches Fundament und ihren Auftrag offenlegen. Von daher arbeitet die Kirche immer in mehrere Richtungen. Sie beginnt zunächst damit, unter den Christen selbst, untereinander, ein Klima tiefer Einheit zu schaffen. Dabei geht es darum, sich gegenseitig anzunehmen, wenn nötig einander zu verzeihen und so zu einer neuen offenen Liebe zum Nächsten zu finden, die dem Anderen einfach gut sein will. Dieses Klima tiefer Einheit kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Christen ihre Verbindung mit Jesus finden. Auch daran arbeitet die Kirche durch die Feier der Liturgie, aber auch durch die Verkündigung des Wortes und indem sie die Menschen auffordert, ihres eigenes Kreuz zu tragen, so dass sie neu empfänglich werden für den gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
Ein Religionslehrer aus Süddeutschland, den ich bei einer Kur kennen lernte, hat dies in einer sehr entscheidenden Weise verstanden und begriffen. Er war tätig an einer Sonderschule für Menschen mit minderer Begabung. In den Pausen, auf dem Pausenhof kam es oft zu äußerst aggressiven Handlungen unter den Schülern und Schülerinnen. Oftmals musste die Polizei geholt werden und auf diesem Schulhof eingreifen. Eines Tages sprach dieser katholische Lehrer seine evangelische Kollegin an und fragte sie, wie sie zu ihrem Glauben stünde. Es ist entwickelte sich schnell ein fruchtbares Gespräch, an dessen Ende ein Pakt stand. Sie hatten auch ein konkretes Ergebnis, nämlich sich gemeinsam jeden Tag zu treffen, damit Jesus unter ihnen sei, wie es in Mt 18,20 verheißen ist. Bei den kurzen Gebeten, die die beiden am Beginn eines Schultages sprachen, entwickelte sich schnell die Erkenntnis, dass sie sich in der großen Pause auf dem Schulhof aufhalten sollten, auch wenn sie keine Aufsicht hätten. Immer wenn sich ein Streit anbahnte, waren sie zur Stelle und halfen den Schülern, den Konflikt ohne Gewalt auszutragen. Je länger sie so auf dem Schulhof ausharrten, desto mehr fanden sie das Vertrauen der Schüler und Schülerinnen und so geschah das Besondere, dass sich die gelebte Gegenwart Jesu Christie positiv für die Schule auswirken konnte. Am Ende des betreffenden Schuljahres stellte der Rektor der Schule fest, dass sie in keinem einzigen Fall die Polizei hätten rufen müssen. Er kenne die Ursache nicht, aber er wollte positiv vermerken, dass in der Schule ein Wandel stattgefunden hätte. Meine beiden Freunde verrieten nicht, dass sie ursächlich daran beteiligt waren. Aber sie freuten sich, dass ihr Pakt eine soziale positive Auswirkung auf die Schule hatte. Wo Christen bewusst Gemeinschaft leben miteinander und auf Jesus Christus hin, da ereignet sich Kirche schon im Alltag, schon im Beruf, schon dort, wo die Menschen leben.
Es gibt geistliche Gemeinschaften, die ein solches Leben ganz bewusst bei ihren Mitgliedern ausprägen wollen Ich denke an die Gemeinschaft St. Egidio, die ihre Mitglieder jeden Tag zu einem kurzen Gebet in Rom und anderswo zum Gottesdienst versammeln und dann diese Personen bittet, sich jeweils eines einzelnen Armen anzunehmen. Gebet und Dasein für die Armen charakterisiert diese Gemeinschaft. Anders, aber im gleichen christlichen Geist, arbeitet die Bewegung der Fokolare. Sie trainiert Christen und Christinnen, so aus dem Wort Gottes zu leben, dass das göttliche Wort der Bibel sie von innen her gleichsam sammelt und öffnet. Wo Menschen dieses gemeinsam an sich geschehen lassen, ja sich darin gegenseitig unterstützen, machen sie die Erfahrung und lernen sie, dass sich unter ihnen eine spezifische Gegenwart Jesu schenken und entwickeln wird. In der Gemeinschaft der Fokolare lernen die Christen und Christinnen, die Gemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander zu lieben. Deren „wichtiges Arbeitsmittel“ ist für sie das Wort Gottes, die häufige Mitfeier der Eucharistie, auch unter der Woche, und regelmäßige Treffen im kleinen Kreis, wo man sich über die Erfahrung mit Gott und über die Erfahrung mit der Geschwisterlichkeit austauscht und hilft.
Genau in diese Kirche-Gemeinschaft möchte das II. Vatikanische Konzil die Kirche von heute führen. Darum schließe ich mit zwei kleinen Sätzen aus dessen Konstitution über die Kirche
„Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit (LG 1)“.
„So erscheint die ganze Kirche als „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (LG 4)“.
Vortrag beim Gemeinschaftstag der Gemeinde Notre Dame in Paris-Malakoff, Januar 2008