Vertiefung der Spiritualität von Ehrenamtlichen
in den Gemeinden und Verbänden des Bistums Münster

Erstens

Wenn wir die heutigen Pfarrgemeinden im Jahr 2004 mit den Pfarrgemeinden vor etwa 60 Jahren im Jahr 1945 vergleichen, muss man sagen, dass die vielen Dienste, die heute die Gemeinden tragen, besonders auffallen. Damals, 1945, gab es bereits den Kirchenvorstand und die Leitungsgremien der Verbände in den Gemeinden. Hinzugekommen aber sind seitdem: Der Pfarrgemeinderat, die Lektoren, die Kommunionhelfer, die Katecheten für Erstkommunion und Firmung, die Gottesdienst-Vorbereitungsgruppen, die Leiter der Familienkreise, die Hospizgruppen, die Trauergruppen, die Krankenbesuchsdienste. Und ich habe in dieser Liste noch nicht einmal alles erfasst, was heute in den Gemeinden geschieht.
Aber ich muss sagen, diese Menschen, die sich ehrenamtlich in der Kirche engagieren, sind unser eigentlicher Schatz. Auch wenn ich weiß, dass bei den Pfarrgemeinderatswahlen es nicht einfach ist, immer wieder Kandidaten zu bewegen, sich aufstellen zu lassen, muss man doch sagen, dass diese unterschiedlichen Dienste ein echtes Grundkapital unseres Bistums sind.

Zweitens

In einer Zeit, in der die Abnahme finanzieller und personeller Ressourcen die Kirche in Deutschland und in West-Europa zu bisher nicht vorstellbaren organisatorischen Veränderungen zwingt, kommt bei vielen Gemeindemitgliedern eine neue Sehnsucht nach spiritueller Vertiefung und persönlicher geistlicher Erfahrung zum Vorschein. Darum hat unser Bischof Reinhard im Pastoralbrief zur Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2005 in der Fastenzeit dieses Jahres deutlich formuliert: „Das Suchen nach angemessenen Strukturen darf jedoch nicht unsere ganze Kraft in Anspruch nehmen. Unsere wichtigste Aufgabe wird es in Zukunft verstärkt sein, in die Tiefe zu bauen.“ Die Stichworte des Bischofs sind: in die Tiefe bauen, in Jesus Christus verwurzelt sein, Quellen und Brunnen des Glaubens erschließen.

Drittens

Bei meiner Verabschiedung als Regens hat der Bischof mich beauftragt, auf dem Feld der Spiritualität inspirierend und koordinierend tätig zu sein. Er erinnerte daran, dass das Johannes-Evangelium die johannäische Gemeinde als Freundesgemeinschaft Jesu beschreibt, die zugleich eine Sendungsgemeinschaft ist. Der Bischof sagte, wir haben – Gott sei Dank – viele Gläubige in unseren Gemeinden, die sich in den weiten Bereichen der Katechese, der Liturgie, der Caritas und der Gemeindebildung engagieren. Für diese möchten wir eine „Schule der Freundschaft Jesu“, um dieses Bild aufzunehmen, gründen, die zugleich eine Schule der Sendung sein soll. Das Jubiläumsjahr unseres Bistums ist ein geeigneter Zeitpunkt dafür. Es geht um das Bemühen, in die Tiefe zu bauen, sich auf die Wurzeln unseres christlichen Lebens zu besinnen, daraus zu leben und die Quellen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zum Sprudeln zu bringen, die Gott selbst in den Herzen der Menschen lebendig werden lässt. Das Hauptanliegen für die Pastoral des Bistums in heutiger Zeit müsse es sein, Menschen zu ermöglichen, mit dem Herzen zu glauben. Bischof Dr. Michael Keller habe Soziale Seminare eingerichtet, die sehr viel Wirkung gehabt hätten. Später habe Bischof Dr. Joseph Höffner Theologische Seminare gegründet. Weil es heute auf die spirituelle Bildung der ehrenamtlichen Kräfte in den Gemeinden ankommt, will Bischof Reinhard Spirituelle Seminare für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden und Verbände in den Bereichen Katechese, Liturgie und Caritas einrichten.

Viertens

Der Bericht in Kirche und Leben über diese Bischofsrede hatte ein gutes Echo. Auch bei mir kamen viele Briefe, E-Mails, Telefonanrufe an sowie viele Anfragen zur Übernahme von Recollectio-Tagen für Priester, für Katechetengruppen und auch für eine Caritasgruppe. Die Anfragen betrafen Studientage mit den Seelsorgekonferenzen der acht Dekanate im Offizialatsbezirk Oldenburg und einen Einkehrtag für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bischöflichen Offizialats in Vechta.
Diese Anfragen haben nur ein Thema: Wie können wir als Bistum und als Gemeinde die Suche nach tiefem geistlichen Leben vor Ort in den Pfarrgemeinderäten, in der Katechese und Liturgie vertiefen. Dabei kommen sowohl die Gruppen in der Gemeinde, aber auch die Einzelnen in den Blick.

Für mich ist es dabei wichtig zu sehen, dass bereits viel auf diesem Gebiet geschieht. Priester und Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen bilden sich verstärkt aus in geistlicher Begleitung und für Exerzitienarbeit. Sie entwickeln gute Initiativen in Glaubenskursen, Meditationsangeboten, Exerzitien im Alltag! Dazu gehört auch die angebotene Präsenz der Orden etwa in Damme, Dinklage und Gerleve, im Karmel von Lembeck, im Kapuzinerkloster in Münster und auch bei den Dienerinnen des Evangeliums im Emmaushaus in Stapelfeld und dann natürlich auch im Priesterhaus von Kevelaer bis hin zum Institut für Spiritualität an der PTH – und nicht zuletzt auch die Initiativen der Geistlichen Gemeinschaften hier bei uns im Bistum Münster. Auch diese Auflistung ist nicht vollständig.

Fünftens

Es gibt aber jetzt eine besondere Chance: Das Gertrudenstift in Bentlage, das vom Bistum Münster übernommen wurde und komplett umgebaut ist, steht seit Ostern 2005 wieder zur Verfügung. Der Bischof möchte dieses Haus ganz bewusst als geistliches Haus geführt wissen. Hier soll ein Ort für die Freundesgemeinschaft mit Jesus Christus entstehen, der Hauptamtliche und Ehrenamtliche zu unterschiedlichen Formen spiritueller Vertiefung einlädt. Es geht hier auch verstärkt um Formen gemeinschaftlicher Spiritualität, wie sie Papst Johannes Paul II. in seinem Schreiben Novo Millennio Ineunte in Nr. 43 beschrieben hat. Der Charakter der Einkehr, der Stille und des Gebetes und des persönlichen Austausches gehört zu diesem Haus. Wenn Exerzitien stattfinden, werden andersgeartete Gruppen nicht aufgenommen.
In diesem Haus möchte ich einen spirituellen Grund- und Aufbaukurs für Ehrenamtliche entwickeln und anbieten, der sich differenziert je nach dem, ob jemand in der Katechese, im Bereich der Liturgie oder in der Gemeindemitverantwortung tätig ist. Ziel soll es dabei sein, am persönlichen Gottes- und Christusbild zu arbeiten, die Quellen des Glaubens zu erschließen und sich befähigen zu lassen, mit anderen Gemeinschaft in Christus zu erfahren und so Kirche vor Ort aufzubauen. Kurse dieser Art möchte ich selbst zusammen mit erfahrenen und interessierten Priestern und Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen und Ehrenamtlichen aus den Gemeinden, sofern sie denn auf diesem Gebiet Erfahrung haben, entwickeln und durchführen.
Es geht dabei zuerst um die Arbeit an der Person und die persönliche Vertiefung im Glauben und um eine mystagogische Hinführung zur Liturgie – aber eben differenziert nach den Tätigkeitsfeldern in den Gemeinden und Verbänden.
Das Gertrudenstift in Bentlage soll ein geistlicher Ort im Bistum Münster werden. Es soll Raum bieten für Exerzitien, Einkehrtage und Pastorale Klausurtagungen. Das Haus soll geprägt sein von einem Geist des Gebetes und der inneren Einkehr. Es ist besonders geeignet für Exerzitien und stille Tage von Gruppen und Einzelnen. Das Haus macht eigene Angebote und steht ebenso den Gemeinden und den Gruppen des Bistums für selbst veranstaltete Exerzitien und geistliche Tage zur Verfügung.
Ich freue mich sehr, dass Bischof Reinhard mir die geistliche Leitung dieses Hauses anvertraut hat. Ich freue mich noch mehr, dass drei Clemensschwestern als kleine geistliche Gemeinschaft dem Haus ein unverwechselbares Profil geben.

Sechstens

In der nächsten Zeit möchte ich auf Klausurtagungen der Dekanate dieses Konzept näher erläutern. Ich möchte ferner jene Hauptamtlichen, die sich im Bereich Spiritualität, Liturgie und Gemeindekatechese engagieren, einladen, um mit ihnen gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie die Freundes- und Sendungsgemeinschaft Jesu im ganzen Bistum Münster vertieft werden kann. Für Hinweise in dieser Richtung bin ich sehr dankbar und auch offen.

Siebtens

Das Schreiben der Deutschen Bischöfe „Zeit der Aussaat“ erinnert überdeutlich daran, dass Deutschland ein Missionsland ist – das spüren wir auch bei uns sehr deutlich. Deshalb müssen unsere Gemeinden ein missionarisches Profil bekommen, wie es die italienische Bischofskonferenz im Juli diesen Jahres in einem Schreiben formuliert. Dieses Ziel verlangt ein neues Gespräch über die Aufgabenverteilung zwischen Priestern, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Diakonen und den vielen Ehrenamtlichen. Darüber muss sehr klar in den Gemeinden, vor allem in den neuen Gemeinden nach einer Fusion, gesprochen werden. Wenn das Anforderungsprofil für Priester, Diakone und Pastoralreferentinnen und –referenten nicht vor Ort mit der gebotenen Klarheit neu abgesprochen und definiert wird, besteht die Gefahr, dass die Hauptamtlichen noch mehr als bisher belastet werden. Dabei hilft auch die theologische Erkenntnis, dass die Seelsorge der Gemeinde als ganzer anvertraut ist.

Für mich ist es ganz klar, dass einer verstärkten missionarischen Pastoral eine Evangelisierung der Personen vorangehen muss. Erst Evangelisierung – dann Missionierung! Es gilt hier aber auch: Durch die neue Begegnung mit dem Evangelium und mit Jesus Christus entsteht fast wie von selbst ein verstärkter Impuls zur Weitergabe des Glaubens, zum missionarischen Tun.
Die Vertiefung der Spiritualität von Ehrenamtlichen muss deshalb einhergehen mit der Vertiefung der Spiritualität der Priester und der Hauptamtlichen in der Seelsorge!

Referat vor der Pastoralkonferenz des Dekanates Mettingen in Recke, Juni 2005

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